Die GRAETZ Radio Werke in Altena bis 1961
Bei den Recherchen in den Großhandels-Katalogen ab 1950 hatte ich es schon geschrieben, daß die ganzen ehemals "Großen" der deutschen Radiogeschichte wie gebannt auf diesen agilen Newcomer aus diesem Kaff am Ende der Welt, aus diesem Fürth in Nordbayern starrten, der mit immer niedrigeren Preisen - und dann auch noch mit guten Produkten - die "wohlgehüteten" Pfründe der "Etablierten" in Luft auflöste.
Viele der alten ehemals (bis 1945) bedeutenden Firmen konnten da nach der Währungsreform 1948 nicht mehr mit, ich vermute wegen der Überalterung der Entwickler (sowie der Chefs).
Max Grundig hatte da das goldene Händchen und er hatte gleich nach dem April 1945 (das war das katastrophale Kriegsende) sehr viele junge und fähige Ingenieure (und oft auch sogenannte "belastete" Personen) angeheuert.
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1962 verschwindet die Marke GRAETZ
In 1961 wird GRAETZ von dem ITT Konzern "übernommen". Ob das freiwillig geschah oder von den Banken erzwungen wurde, wird von den verschiedenen Seiten verschieden "interpretiert". Ich vermute eher, im knallharten Wettbewerb war irgendwann auch bei GRAETZ die Luft raus. Jedenfalls sind die Sprüche auch in der Wikipedia - dort spricht man von "Fusion" - völliger Quatsch.
Geiches galt übrigens auch für die AGFA Magnetbandsparte, die für 1 DM mit der BASF "fusioniert" wurde, so wollte "man" es gerne lesen. Der eigentliche Grund : Die Mutterfirma, die Bayer AG Leverkusen wollte schnellstens aus einem sterbenden Markt raus. Sehr ähnlich war auch der "Verkauf" von BRAUN/Nizzo an die Firma Eugen Bauer in Stuttgart gelaufen.
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Der Bekanntheitsgrad und Verbreitungsgrad von GRAETZ
Vorausgeschickt werden müsste aber, GRAETZ war bezüglich des Fachhandels konsequent, konnte aber nicht den gleichen finanziellen und juristischen Druck auf die Händler ausüben wie die Grundig Verkaufsleiter und die Grundig Großhändler.
GRAETZ war in Wiesbaden nur in wenigen Radio- und Fernseh-Läden vertreten. Gegen die Grundig Marketing Maschine - die Grundig Revue (5 Millionen Auflage und kostenlos) - war wenig Kraut gewachsen.
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Lauter "Adlige" im Namen (der Produkte).....
Die Namensgebung der Fernseh-Produkte war überwiegend im Adligen-Bereich angesiedelt und wer wollte nicht mal einen Grafen zuhause haben. Das ging von "Markgraf" über "Burggraf" und über "Landgraf" und dann "Reichsgraf" bis zum "Kurfürst" und zum "Monarch".
Ganz oben residierte der "Maharadscha". Die Preise und Beschreibungen finden Sie alle in den Großhandes-Katalogen ab 1950 bis 1972 (bald)
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Die "F"-(Typen-) Nummern von GRAETZ - das ist selten
Bei der Suche nach den technischen Daten, die über die Infos in den uralten Großhandelskatalogen hinausgehen, ist aufgefallen, daß es mehrere "Reichsgraf" Fernseher gegeben hatte. Und alle hatten eine andere F-Nummer.
Der am weitesten verbreitete "Reichsgraf" hatte die F121-. Irgendwo gab es auch einen mit F40. Unser hier hat die F50. Diese Nummerierung ist selten und sehr ähnlich zu den DUAL Werke-Prospekten und Katalogen, die alle konsequent fortlaufend mit einer W-Nummer bezeichnet wurden - bis zum bitteren DUAL-Ende in 1982.
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Wir haben uns nur ein Beispiel für GRAETZ Fernseher etwas genauer angesehen - einen uralten "REICHHSGRAF F50/2".
Nach unseren Unterlagen gab es 1957/1958 einen Luxus-"Reichsgraf F40" auf Seite 146 des Rundfunk-Katalogs. In 1959/1960 gab es bereits einen "Reichsgraf F254", dann in 1961/1962 den "Reichsgraf F361". Wo wäre dieser Reichsgraf F50 einzuordnen, zumal er schon die integrierte Erweiterung fürs 2. Program hat. ? Offensichtlich wurden sämtliche GRAETZ Fernseher der Reihe nach durchnummeriert.
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Es ist eine Radio / Fernseh- Kombination als Tischgerät
Dieser Fernseher enthält als Bedienteil ein großes Radio-Chassis, das für den Fernsehempfang erweitert wurde. Das war zu der Zeit um 1958 eine eigenwillige Kombination, die zudem teurer war als das nacheinander getätigte Anschaffen getrennter Radio- und Fernseh-Geräte.
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Jetzt geht es weiter zu den Details ......
Beim Öffnen und Zerlegen des völlig verdreckten Fernsehers fällt sofort auf, was der Ingenieur denkt. Das Teil ist zusammengebastelt. Der begeiserte Sammler spricht von "hochoptimiert" oder genial. Doch dem ist nicht so.
Aus dem Radiochassis wurde durch Hinzufügen des Fernsehtuners für Kanal 3 bis 12 die erste Fernsehkombination. Alleine die Platzierung des großen Trommeltuners in dem Radiochassis war sicher eine Kunst. Denn das Radio-Chassis war schon komfotabel ausgelegt.
Mit einem Senderwahl-Drehknopf wurden alternativ beide Skalenzeiger mechanisch angekoppelt und das Riesenschwungrad bewirkte das richtige "Touch und Feel" Gefühl - (die damals unbekannte Haptik des Anfassens).
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Und dann kam das "Zweite" - bzw. sollte kommen
Jetzt brauchte man noch ..... entweder einen Zusatzkasten oder einen dritten (VHF) Tuner und der mußte ja irgendwie auch noch da rein und der konnte noch mehr Kanäle als der UHF Tuner. Und sicher mußten die Ingenieure bei GRAETZ zeigen, was sie konnten. Nämlich möglichst viel von der alten Chassis-Konzeption erhalten und so schnell wie möglich rein in die Produktion - schien die Vorgabe zu sein.
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So grau sieht das Radio-Chassis nach 50 Jahren aus .....
Das erweiterte Radio-Chassis sollte die Kunden ansprechen, die keine 2 Geräte haben wollten oder damals auch finanziell nicht bezahlen konnten. Also wurde eine Kombination aus Radio und Fernseher entwickelt, teilweise waren das ganz schöne Krampflösungen.
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Betrachten wir es genauer ....
Die jüngeren unter unseren Lesern sind mit der damaligen Röhrentechnik nicht so vertraut. Darum eine Einführung :
Ganz vorne sehen sie die Skala mit der Doppelreihe fast weißer Drucktasten in der Mitte und links hinter der Skala die Schwungscheibe neben der Seilzug-Umlenkung. Der Seilzug geht bis ganz nach rechts zu dem (verdeckten) Drehkondensator (zur Senderwahl) unter der Metallkasten- abdeckung mit den 12 Löchern, dem UKW Empfangsteil. Und dahinter im Bild oben rechts ist "eingepflanzt" das Empfangsteil für das erste Fernsehprogramm, meist die Kanäle 2 bis 12.
Etwa in der Mitte sehen Sie das 3. Empfangsteil für die jetzt ganz neuen Fernsehprogamme auf den Kanälen 30 bis 60. Links daneben wohnt der große Doppel-Drehkondensator (auch zur Senderwahl) für die 3 inzwischen weniger interessanten Rundfunkbereiche, LangWelle, MittelWelle und KurzWelle.
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Neben dem viereckigen Kasten ganz links steht ganz dicht dran eine einsame Röhre, die Endstufenröhre des Radioteils, die vom Fernseher mitbenutzt wird. Die Verbindungskabel zu dem eigentlichen hinten im Gerät senkrecht positionierten Fernseh-Chassis sind alle bereits gekappt, da wir diesen Apparat nie wieder in Betrieb nehmen werden.
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50 Jahre gehen nicht spurlos vorbei
Diese alten Papierkondensatoren (rechts im Bild) würden bei der Wiederinbetriebnahme nach ganz kurzer Zeit den Geist aufgeben und im wahrsten Sinne des Wortes "abrauchen" oder gar explodieren. Und es sind in diesem Chassis einfach zu viele davon vorhanden. Weiterhin kann man sofort erkennen, - das Geräte ist bis zum bitteren Ende so lange gelaufen, bis wirklich kein akzeptables Bild mehr auf der Bildröhre zu sehen war. Damit sind die Röhren allesamt ausgelutscht und die Liebensmühe einer Reparatur wäre vergebens.
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