Meilensteine des bundesdeutschen Fernsehens
von Gert Redlich im Juni 2018 - Es geht um die wenigen Meilensteine, die für den Fernsehzuschauer von Interesse waren, also NICHT um die technische Entwicklung in den professionellen Bereichen der Fernsehtechnik.
Etwa 10 Jahre bin ich jetzt in die bundesdeutsche Nachkriegs- Fernsehhistorie eingebunden und habe viel gelesen, viel gesehen und viel (zu-)gehört. Und wie bei Kultur und Politik gehen die Meinungen der Beteiligten kreuz und quer durcheinander. Es gibt nur wenige authentische Fernseh-Bücher über die Zeiten vor und nach 1945.
Deshalb finden Sie auf dieser Seiten meine Meinung !! über die Meilensteine in der Consumertechnik der letzten 60 Jahre "Deutsches Fernsehen".
Fast 7 Jahre Pause nach 1945
Im April 1945 hatten wir hier in Europa den Supergau, Hiroshima kam etwas später, Tschernobyl und Fukushima kamen noch später. Der 2. große Krieg war zuende und es landete in allen beteiligten Ländern "fast Alles" im NICHTS. Gebastelt und experimentiert - am Radio und am Fernsehen - wurde bei uns in Hamburg und Berlin zwar bereits 1946 - natürlich illegal. Doch das waren ganz ganz wenige und von einem frühen Durchbruch kann vor 1951 überhaupt keine Rede sein.
Ich möchte die echten Meilensteine aufzählen und der erste Meilenstein wurde von Max Grundig kreiert. Grundig sagte, wenn es keine bezahlbaren Fernseher gäbe, wird sich dieses neue Fernsehen nie durchsetzen.
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1951/52 - Max Grundig läßt 200 (oder 2000 ?) Fernseher bauen.
Max Grundig hatte die visionären Ideen und er hatte das Händchen, diese von vielen mit Unverstand, Hähme und Neid kommentierten Ideen auch zu realisieren. So ließ Max Grundig Ende 1951 / Anfang 1952 - einfach mal so - 200 oder waren es 2.000 - Fernseh-Standgeräte (der allerersten Generation) herstellen und zum großen Erstaunen seiner letargischen, neidischen und teils bösartigen Wettbewerber verkaufte er die 200 (2.000) Stück in einer unglaublich kurzen Zeit. Zu jener Zeit gab es maximal 2 Stunden Fernsehen (besser gesagt "Fernsehversuche") am Tag von kurz vor 20.oo bis 22.oo Uhr - und schon gar nicht überall, sondern vorerst mit Sendern in Hamburg und Berlin.
1963 - Das 2. Programm - ein Meilenstein
Fernsehen zu "machen", war ein Privileg und ganz natürlich war es damit auf der politischen Tagesbühne. Es gab nur ein Progamm und das verkörperte "die Wahrheit". Ein zweites Programm war seit etwa 1961 im Gespräch, kam aber nicht zu Potte. Adenauer war bezüglich der (SPD-nahen) Wahrheit ganz anderer Meinung und setze alle Hebel in Bewegung, eine Alternative zur ARD auf die Beine zu stellen, die selbstverständlich seinen politischen Richtungen folgen sollte. Der BGH hatte etwas dagagen und erzwang aber damit indirekt und vor allem extrem zügig das jetzige ZDF. Jetzt gab es zwei konkurrierende Programme, wieder ein Meilenstein.
1966 - Philips baut seinen ersten PAL-Farbfernsehempfänger
Europa wollte "bunt" fernsehen, eigentlich nicht nur bunt, sondern echtfarbig in professioneller Echt-Farbe. Der politische Hickhack um NTSC oder SECAM oder PAL war irgendwann 1964 entschieden und Philips baute Ende 1966 den ersten (Farb-) Goya, das Krefelder Chassis K6. Dieser erste europäischer Farbfernseher war trotz 13 Transistiren noch fast vollständig mit Röhren bestückt. Philips hatte einen großen Vorteil, in Krefeld und Aachen gab es Philips Bildröhrenfabriken. Somit konnte Westdeutschland im August 1967 mit Philips Kameras und Philips Farbfernsehern in Farbe starten. Dieser Farbfernseher war ein Meilenstein, obwohl es in den bereits mit Farbe versorgten Ballungs-Gebieten im August 1967 insgesamt nur etwa 2.000 Farbfernsehgeräte gab. Mehr darüber finden Sie in der SABA-Story. In den "Philips Kontakte" Ausgaben ist der Weg recht genau berichtet.
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1971 - Grundig und Philips stellen den ersten VCR Recorder vor
Aus Japan gab es schon vorher Videorecorder teils mit Spulen teils mit ganz speziellen proprietären Spezial-Kassetten. Doch die waren preislich nicht für den Heimmarkt gedacht und auch fast nicht erschwinglich. Max Grundig war auch hier wieder anderer Meinung als die ganzen anderen deutschen Fernseh-Firmen - mit Ausnahme von Loewe Opta. Die hatten 1961 auch einen großen 2" Spulenrecorder entwicklet, aber außer, daß er nie richtig professionell funktionierte, auch jenseits aller (preislichen) Realitäten, wurde es ein Flop. - Philips entwickelte zusammen mit Grundig und Grundig produzierte diese VCR Recorder. Leider hatten diese durchaus sehr guten VCR-Videorecorder alle - ohne Ausnahme - einen Systemfehler. Das Fett in den Mechaniken "gaste" aus und verschmierte die Trommel - leider irreparabel, auch bei der sinkenden Reputation der Marke GRUNDIG.
1972 - Die SONY Trinitron Bildröhre war fast flach und sehr hell
Ein weiterer Meilensten kam aus Japan und zeigte uns, es geht bei der Bildqualität noch deutlich besser. Insbesondere bei den europäischen Sylvania Bildröhren (SABA musste die einbauen) sprach der Fachmann von einem matschigen Bild.
Philips kämpfte mit Lieferprobemen (für die reinen Bildröhrenkunden außer Grundig) und Telefunken konnte irgendwann nicht mehr mit der Entwicklung im Röhrenwerk Ulm mithalten.
SONY hatte mit der Trinitron Technik eine ganz spezielle sehr flach und zylinderförmig gebogene Bildröhre entwickelt, die heller, scharfer und dazu nahezu eben war. Daß SONY mit dem Vorläufer, der Index-Bildröhre, nahezu am Bankrott vorbeigschliddert war, steht auf den SONY Seiten. Und daß die SONY Ingenieure dennoch Jahre brauchten, um die großen 72er Trinitron Röhren zu bauen, kann man dort auch nachlesen.
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1985 - Europa macht HDTV mit 16:9 Format und natürlich perfekt
Mit dem EUREKA 95 Projekt lehnten sich ein Dutzend Hightech Firmen in Europa weit aus dem Fenster und entwickelten ein neues Fernsehformat mit der doppelten Linienzahl im Vergleich zu PAL.
Sie nannten es HDTV 1250. Die Zuschauer merkten davon erst mal nichts, denn die Menge der Bildinformation kam beim Zuschauer gar nicht an. Zum weltweiten Senden an die breite Masse wurde dieses Hightech Bild-Signal recht aufwendig auf PAL oder SECAM oder NTSC runter konvertiert.
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1991 - HDTV Farbfernseher mit bauchigen 95cm Bildröhren
Hier beim 1250 HDTV engagierten sich Telefunken und Philips mit wohnzimmertauglichen auf sehr großen und schweren Farb-Bildröhren basierenden 95cm Großbildfernsehern, natürlich mit freundlicher finanzieller Unterstüzung durch die EU. Die EU hatte einen Großteil dieser Entwicklungen vor allem im Studiobereich tatkräftig gefördert. Diese Riesenfernseher wurden nur in homöopatischen Mengen hergestellt und waren entsprechend teuer. Nur wenige kamen beim Zuschauer an, die meisten standen in irgendwelchen Agenturen und Empfangsetagen und bei den beteiligten Sendern in den Besucherräumen.
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1992 - zwei allerletzte 16:9 Röhrenfernseher mit planer Front
1992 wurden die letzten PAL Röhrenfernseher im 16:9 Format angeboten und einer davon war der große Heimfernseher von SANY0 mit einer völlig flachen Frontfläche. Nahezu gleichzeitig gab es von SONY einen sehr sehr teuren sogenannte "Klasse 1" Studio-Referenz- Monitor, ebenfalls mit einer absolut flachen Trinitron Bildröhre.
Dann war die Bildröhre als Wiedergabeelement überholt und die Plasma, TFT und LCD Flachbildfernseher kamen in riesen Mengen auf den Markt.
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Das PAL-Fernsehbild wird von 4:3 auf 16:9 vergrößert
Abgeleitet von den 16:9 Erfahrungen aus dem EUREKA 95 Projekt wurde das neue Breit-Bild-Format von fast allen Europäern präferiert und von den anderen Staaten auf der Welt akzeptiert.
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um 2000 und später - jede Menge an neuen HDTV "Normen" oder "Vorschlägen" werden publiziert und lanciert
Eine bittere Erfahrung musste auch die erfolgverwöhnte Consumer- Fernsehindustrie bezüglich der Fernsehempfänger und vor allen bezüglich der Videorecorder lernen.
Was macht man, wenn der Markt weltweit abgedeckt ist, die Technik davongaloppiert (USB Stick und BlueRay) und man als großer japanischer Hersteller "irgendwetwas" verkaufen muß und vor allem, wenn die erzielbaren Preise dramatisch verfallen. Man entwickelt oder generiert eine neue "Norm"und versucht, diese Entwicklung jetzt exklusiv auf dem Weltmarkt durchzusetzen.
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