Teil 2 - Hermann Brunner-Schwer erzählt in der "Ich"-Form:
Und er erzählt natürlich die historischen Gegebenheiten aus seiner (SABA-) Sicht und mit seinem Wissen. In die einzelnen Geschichten werden jetzt eine Menge zusätzlicher Informationen aus anderen großen Werken glaubwürdiger Autoren eingebaut.
.
SABA kreuzte auch 1965 mit vollen Segeln.
Der Umsatz stieg weiter und erreichte die Rekordmarke von 155 Millionen Mark. Doch die Gewinne hielten nicht Schritt. Unsere Vertriebspolitik verhalf dem Unternehmen zwar zu einer immer stabiler werdenden Position auf dem deutschen Markt. Mit den Preisen aber hatten wir uns dennoch am Wettbewerb zu orientieren, und der spielte nach wie vor verrückt. Die Lohnkosten liefen uns davon. Die IG Metall trotzte den Arbeitgebern hochprozentige Lohnerhöhungen ab, die wir, im Gegensatz zu anderen Branchen, nicht durch Preiserhöhungen an den Endverbraucher weitergeben konnten. Darüber hinaus standen neue, kapitalverschlingende Investitionen ins Haus. Ausgediente Maschinen und Anlagen mußten ersetzt, die Farbfernsehentwicklung finanziert und neue Fertigungsflächen für den Start der Colorgeräte-Produktion geschaffen werden.
Anmerkung :
SABA startet intensive Suche nach alternativen Produkten
Hier fehlt der Einstieg von SABA in den Vertrieb von fremd produzierten Image-Produkten wie den Edel-Hifi Telewatt-Geräten von Klein+Hummel aus Stuttgart. Vermutlich wurde auch hier schon der Grundstein zum dem wunderschönen 3-Motoren Bandgerät SABA 600 SH gelegt, das so gar nicht in die Familie paßte.
.
Unser Tischrechner „ADDO-SABAtronic"
Der Einstieg in die kommerzielle Elektronik kostete ebenfalls eine Menge Geld. Ein mit einem Druckwerk ausgestatteter elektronischer Tischrechner befand sich in Arbeit. Der dänische Büromaschinenhersteller ADDO ermutigte uns zu diesem Schritt. ADDO galt als eine auf dem mechanischen Büromaschinensektor erfolgreiche und erfahrene Firma. Sie besaß aber keinerlei elektronisches Know-How. Um möglichst schnell auf den Zug in das auch in der Büromaschinentechnik anbrechende elektronische Zeitalter zu springen, entschlossen sich die Dänen, mit SABA zusammenzuarbeiten. Wir übernahmen die Aufgabe, den Rechner zu entwickeln und zu bauen, während ADDO sich verpflichtete, den Vertrieb der Geräte unter dem Namen „ADDO-SABAtronic" zu gewährleisten.
Alles für die Firma und alles in die Firma
Die SABA-Gesellschafter (Mutter, Hans-Georg und ich) verzichteten einmal mehr auf die Ausschüttung von Gewinnen und beschlossen, das haftende Stammkapital der Gesellschaft unter Zuhilfenahme der angesammelten Reserven auf 16 Millionen Mark aufzustocken. Dieser Schritt veranlaßte wiederum die Banken, das eingeräumte Kreditvolumen auf 30 Millionen Mark zu erhöhen. Es konnte also weitergehen.
Meine Besuche im Farbfernsehlabor häuften sich.
Ich wollte mich vergewissern, daß es mit der Entwicklung des ersten SABA Farbfernsehgerätes zügig voranging und die vorgegebenen Termine eingehalten werden konnten. Die Planung sah vor, den Empfänger mindestens drei Monate vor dem zur Funkausstellung 1967 festgelegten Farbfernseh-start in Serie gehen zu lassen. Je mehr Geräte zur Verfügung stünden, umso größer die Chance, die Nase von Anfang an mit vorne zu haben.
Die Zeichen standen gut. Schon zwei Jahre vor der „Stunde Null" bedrängten mich die Vertragsgroßhändler bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit. Immer wieder fragten sie nach, wie es stünde und ob sie sich darauf verlassen könnten, von SABA rechtzeitig mit guten und zuverlässigen Farbfernsehgeräten in ausreichenden Mengen beliefert zu werden.
Mit der Farbe gab es viele Probleme und Kosten
Unsere Ingenieure gaben sich alle nur erdenkliche Mühe und taten sich trotzdem schwer. Der Zeitdruck belastete sie. Es mußte Neuland betreten werden, und wichtige Erfahrungswerte fehlten. Dazu kam die Abhängigkeit von der zuliefernden Bauelemente-Industrie. Auch dort waren die Entwicklungen bei weitem noch nicht abgeschlossen. Was an technischen Daten über das Farbbildröhren-Paket ins Haus kam, mußte mit Vorsicht genossen werden, weil man sie laufend revidierte. Ganz ähnlich verhielt es sich mit den für Laborexperimente zur Verfügung gestellten Mustern. Das alles ergab einen Rattenschwanz von Folgeproblemen. Solange die Entwicklung kein grünes Licht gab, konnte weder mit der Fertigungsvorbereitung, dem Bau von Prüfgeräten noch mit wertanalytischen Untersuchungen einschließlich der Vorkalkulation begonnen werden.
Ärger über die "Unkenntnisse" meines Bruders
Manchmal ärgerte ich mich, daß ich von der Technik nichts verstand, nicht selbst mit Hand anlegen konnte und mich mit dem zufrieden geben mußte, was man mir erzählte. Hätte sich mein Bruder früher auf den Hintern gesetzt und Hochfrequenztechnik studiert, dann wäre mir wohler gewesen.
Genialität wird von einem technischen Geschäftsführer ja nicht verlangt. Er sollte aber in der Technologie seiner Produkte zu Hause oder zumindest urteilsfähig sein. So blieb mir nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, daß alles zur rechten Zeit fertig würde.
Unbedingt Zoff zwischen uns Brüdern vermeiden
Zoff zwischen zwei Brüdern soll in den besten Familien vorkommen, vor allem dann, wenn sie als gleichberechtigte Erben in ein Unternehmen hineingeboren werden. Doch Ärger im eigentlichen Sinn des Wortes gab es zwischen uns nicht. Hansjörg billigte mir, wenn auch widerwillig, die Führungsrolle zu. Allerdings nagte es in seinem Selbstbewußtsein, und er sah ein, daß nur der Anspruch, Mitinhaber der SABA-Werke zu sein, allein nicht genügte, um sich durchzusetzen. So etwas erzeugt latente Spannungen und nährt Minderwertigkeitskomplexe, vor allem aber Eifersucht. Schürt dazu noch eine geltungssüchtige Ehefrau das Feuer, dann geht die Bruderliebe in die Binsen. Dann fällt über den, der sich anmaßt, den Zampano zu spielen, oft ein böses Wort. Ich wußte das und versuchte, auf meinen Bruder einzugehen, ihm zu helfen, sein Gesicht zu wahren, und ihm ein Aufgabengebiet zu überlassen, auf dem er sein unbestritten großes musikalisches Talent erfolgreich umsetzen konnte.
So kam es zur SABA-Schallplatte.
Hansjörg interessierte sich schon immer für die Aufnahmetechnik von Musikproduktionen. Er richtete sich in seinem Haus ein kleines Tonstudio ein und experimentierte so lange, bis er den Dreh heraus hatte und mit Hilfe seines guten Gehörs Aufnahmen von ausgezeichneter Qualität zustande brachte. Der Jazz-Fan lud so prominente Künstler wie Oscar Peterson, Duke Ellington oder Errol Garner zu Hauskonzerten ein, die er allesamt aufzeichnete. Selbst verwöhnteste Superstars zeigten sich von Hansjörgs Begabung beeindruckt. Verwerten durfte er die Aufnahmen allerdings nicht, da die berühmten Jazzer natürlich längst Exklusivverträge mit großen Schallplattenfirmen unterschrieben hatten. Ein teures Hobby also, das seinem bei SABA geführten Darlehenskonto nicht gut bekam.
Die Begabungen von Hansjörg nutzen
Weil wir das für ein attraktives SABAmobil-Musikprogramm notwendige Repertoire einkaufen mußten, die Überspielung auf die Musikkassetten aber selbst besorgten, lag der Gedanke nahe, Hansjörgs Talent zu nutzen und zumindest einen Teil der Titel in einem eigenen Studio zu produzieren. Mein Bruder war mit Feuereifer bei der Sache. Er engagierte ein paar Leute, die sich im Musikgeschäft auskannten, und installierte das Studio in den Räumen unserer ehemaligen Notwohnung. Hansjörg fühlte sich endlich in seinem Element.
Neben Bändern auch jetzt Schallplatten
Bald war klar, daß die Einnahmen aus dem Verkauf der SABAmobil-Kassetten allein nicht genügten, um die Kosten der Musikproduktion zu decken. Was also lag näher, als die Aufnahmen auch als Schallplatten auf den Markt zu bringen. Die Scheiben wurden außer Haus im Lohnauftrag gepreßt und über die SABA-Vertriebsorganisation dem Schallplattenhandel angeboten.
SABAs Jazz-Schallplatten waren bald weltweit bekannt
Die deutsche Schallplattenindustrie machte damals mit der Unterhaltungsmusik, vor allem aber mit dümmlichen Schlagern das große Geschäft und bezahlte den Stars Gagen in blödsinniger Höhe. Hier konnten und wollten wir nicht mitmischen. Hansjörg sah das ein und konzentrierte sich auf eine von den Großen vernachlässigte Marktnische, den Jazz. Das sprach sich schnell herum. Viele gute Jazzmusiker lebten damals wie heute von der Hand in den Mund. Einmal eine Schallplatte produzieren zu dürfen, davon konnten viele nur träumen. Hansjörg machte vielen diese Träume wahr.
Gelobt, gefeiert, aber fast nur rote Zahlen
Er galt schon bald als Jazz-Mäzen und konnte sich der Angebote kaum mehr erwehren. Seine Platten wurden gelobt und trotzdem blieben die Auflagen klein. So klein, wie der exklusive Kreis der Jazz-Fans eben war.
Am 15. März 1966 - der millionste SABA-Fernseher
Am 15. März 1966, genau um 10 Uhr 28, lief der millionste SABA-Fernseher vom Band. Ein Statistiker rechnete aus, daß man mit dieser Gerätemenge eine Straße von Villingen nach Berlin hätte bepflastern können. Einzeln aufeinandergesetzt wäre ein 485 Kilometer hoher Turm mit einem Gewicht von 28.000 Tonnen entstanden. In 18 Millionen Arbeitsstunden waren 385 Millionen elektrische und 260 Millionen mechanische Teile verarbeitet worden. Und das alles hat auch noch verkauft werden müssen.
Trotz der Freude - dicke dunkel Wolken am Himmel
Am bislang strahlenden Wachstumshimmel zeigten sich plötzlich dunkle Gewitterwolken. Die Thermik einer überhitzten Konjunktur brachte das Wirtschaftswunderland ins Schaukeln. Die Bundesbank zog die Bremse an und machte das Geld knapp, um den immer gefährlicher werdenden inflatorischen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Für viele auf Kredit lebende Unternehmer gab es ein böses Erwachen. Investitionsvorhaben fielen dem Rotstift zum Opfer, Produktionspläne mußten beschnitten, Kurzarbeit oder Entlassungen in Kauf genommen werden.
Knappes Geld und Krisengerede
Der Abschied von der Superkonjunktur versetzte die verwöhnten Bundesbürger in Angst und Schrecken. Krisengerede machte sich breit, schon malte man das Gespenst einer drohenden Massenarbeitlosigkeit an die Wand. Schlagartig änderte sich das Konsumverhalten. Kaufwünsche wurden zurückgestellt, das Geld in den Sparstrumpf gesteckt. Der Wetterumsturz traf die Unterhaltungselektronik hart. Hersteller meldeten Absatzrückgänge bis zu 20 Prozent. Daß man überall schon jetzt vom Farbfernsehen sprach, verschlechterte die Lage nur. Warum jetzt noch kaufen, sagten sich viele, noch ein Jahr und dann gibt's Farbe.
Wieder hatten wir bei SABA ein klein wenig Glück
Wie wäre es uns wohl in dieser lebensgefährlichen Phase ergangen, hätte es unsere Partnerschaft mit dem Fachhandel nicht gegeben? Ich konnte mir die Antwort auf diese Frage zum Glück ersparen, denn trotz aller Turbulenzen ließ man uns nicht im Stich. Die geplante Produktion floß ab. Es gab bei SABA weder Kurzarbeit und Entlassungen noch Verluste.
Herbst 1966 - Ludwig Erhard nahm seinen Hut
Die in diesem Jahr aufgetretenen Konjunkturprobleme warfen ausgerechnet jenen Mann aus dem Sattel, dem das dankbare Volk bis dahin die Erfindung des deutschen Wirtschaftswunders zugeschrieben hatte, Ludwig Erhard. Als der schockierten Öffentlichkeit im Herbst 1966 nicht länger vorenthalten werden konnte, daß der Bundeshaushalt im Folgejahr ein ungedecktes Defizit von über drei Milliarden Mark aufweisen würde, nahm der Dicke mit der Zigarre seinen Hut. Wenigstens gab es damals noch Politiker, die aus einer Niederlage Konsequenzen zogen.
Erstmalig - eine Große Koalition
Nach langen und überaus zähen Verhandlungen einigten sich CDU/ CSU und die SPD. Die Große Koalition entstand. Kurt Georg Kiesinger wählte man zum Bundeskanzler, Willy Brandt zum Außenminister, Karl Schiller erhielt das Wirtschaftsministerium und Franz Josef Strauß sollte sich als neuer Finanzminister um den maroden Haushalt kümmern. Die vielgeschmähte Koalition war gar nicht so schlecht wie ihr Ruf. Schiller und Strauß begruben politische Aversionen und gaben ein erstaunlich kompetentes Gespann ab. Sie begriffen, daß auch das vielgepriesene freie Spiel der Kräfte seine Grenzen hatte. Sie griffen ein und halfen der lahm gewordenen Konjunktur mit Hilfe einer gezielten Investitionsspritze allmählich wieder auf die Sprünge.
1966 - Eine verordnete Roßkur
Allerdings, daß es schon 1967 wieder aufwärts gehen würde, stand zu Beginn jenes Jahres noch in den Sternen. Zunächst ging der Wirtschaft die von den neuen Machern verordnete Roßkur erst einmal gehörig unter die Haut. Und das alles ausgerechnet zu einer Zeit, in der sich die Fernsehbranche in einem gefährlichen Umbruch befand. Schwarzweiß war „out", Color noch nicht „in". Klar, daß der Fachhandel bis auf weiteres mit größter Vorsicht disponieren und auf Wartestellung gehen würde.
Die Gretchenfrage - wie geht es weiter ?
Nur noch eine Frage beschäftigte die Gemüter: Wie wird sich der Start des Farbfernsehens in den Kassen bemerkbar machen? Der Käufer sollte immerhin runde 2.400 Mark auf den Tisch blättern, wenn es bei den Preisvorstellungen der Industrie bliebe. Es gab zwar recht optimistische Absatzprognosen. So meinten die Marktforscher, daß in den verbleibenden vier Monaten des Jahres 1967 etwa 85.000 und im Jahr darauf schon 220.000 Colorgeräte an den Mann gebracht werden könnten. Doch viele mißtrauten diesen Vorhersagen. Sehr viel hing eben von der Güte der ausgestrahlten Farbsendungen ab und genau soviel von der Wiedergabequalität des Empfangsgeräts.
Die USA - diesmal kein Vorbild - im Gegenteil
Wie man es nicht machen durfte, zeigte das Beispiel USA. Als dort das Farbfernsehen begann, mußten die hochgesteckten Umsatzziele schnell wieder revidiert werden. Das Publikum zeigte sich von dem, was ihm da an farbigen Bildern zugemutet wurde, so enttäuscht, daß es einfach nicht kaufte.
Jetzt weiß ich endlich, was NTSC bedeutet", schrieb ein amerikanischer Fachjournalist: „Never Twice Same Colour" („dieselbe Farbe niemals gleich"). Erst als es gelang, das NTSC-Verfahren zu verbessern und erträglichere Bilder zu produzieren, begann drüben der eigentliche Boom.
Frühjahr 1967 - Unser Erster : Der „Schauinsland T 2000"
Als wir uns im Frühjahr 1967 wieder auf den Großhandelstrip machten, hatte ich weiche Knie. Im Reisegepäck befand sich unser erster Farbfernsehempfänger, der „Schauinsland T 2000". Das Gerät stammte aus der Nullserie, die üblicherweise als eine Art Generalprobe vor dem eigentlichen Fertigungsbeginn „gefahren" wird. Gemessen an dem, was die deutsche Industrie im Startjahr an Farbfernsehern zu produzieren beabsichtigte, lag unsere Planung an der Oberkante. Wenn es tatsächlich gelingen würde, diese Menge in den Lieferverträgen unterzubringen, dann könnte SABA das Rennen mit einem Marktanteil von 30 Prozent beginnen. Die Vertragsgrossisten unterschrieben, ohne mit der Wimper zu zucken.
Mitte 1967 - Einige wollten sogar noch mehr.
Die Erfolgsaussichten waren wirklich berauschend. Und trotzdem blieb ich nervös. Noch hatten wir das Heu nicht in der Scheune. In der Fabrik brach Hektik aus, die Termine wurden immer enger. Fertigung und Qualitätskontrolle gerieten sich in die Haare. Die einen wollten ihr Produktions-Soll erfüllen, die anderen schickten erbarmungslos alles, was der strengen Endkontrolle nicht standhielt, zur Nacharbeit zurück.
Auch der Kundendienst mußte lernen
Auch unser Kundendienst machte Überstunden am laufenden Meter. Schulungskurse mußten durchgeführt werden. Es galt, 4.000 Techniker des Fachhandels mit der neuen Materie vertraut zu machen und sie in die Lage zu versetzen, ein defektes Farbfernsehgerät auch ohne fremde Hilfe wieder in Gang zu bringen.
Mite 1967 - Die Banken gaben sich besorgt.
Mitte des Jahres näherten wir uns der Kreditgrenze. Das war auch nicht anders zu erwarten, immerhin mußten enorme Vorleistungen finanziert werden. Ich verhandelte, wähnte mich anhand des hohen Auftragsbestandes in einer guten Position und bat um eine Erhöhung der eingeräumten Limite. Nichts ging.
Unverständliches "Verständnis" der Bänker
Die Bänker zeigten zwar Verständnis, verwiesen aber auf die von „oben" verfügten Kreditrestriktionen. Sie malten sogar die Gefahr einer auch auf SABA zukommenden Kreditbeschränkung an die Wand. Ich traute meinen Ohren nicht und starrte fassungslos in das verlegene Gesicht meines Gegenübers. Das durfte einfach nicht wahr sein. Der Mann wußte doch, daß unsere Bilanzen in Ordnung waren, daß wir schwarze Zahlen schrieben, daß SABA als der größte Arbeitgeber der Region galt und vor einer neuen Wachstumsphase stand. Ein böser Verdacht stieg in mir auf. Was und wer steckte hinter dieser widersinnigen Drohung wirklich?
Ich wurde hellhörig und aktiv und mobil
Ich fackelte nicht lange und rief Hermann Josef Abs an, den Chef der Deutschen Bank.
Wer war Hermann Josef Abs damals?
Wer kannte diesen Namen damals nicht, den Berater Konrad Adenauers, jenen Mann, der im Auftrag der Bundesregierung Anfang der fünfziger Jahre die ausländischen Gläubiger im Londoner Schuldenabkommen befriedigte, Sprecher der Deutschen Bundesbank und Mitglied oder Vorsitzender der Aufsichtsräte der größten deutschen Industrieunternehmen. Dem vielfachen Ehrendoktor schrieb man große Verdienste um den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft zu. Selbst die internationale Finanzwelt war sich in ihrem Urteil einig und zählte ihn zu den bedeutendsten Bankiers des Jahrhunderts.
Wir kannen uns von den Empfängen
Hermann Josef Abs hatte für die wichtigsten Kunden seiner Bank eine Art VIP-Service eingerichtet, den sogenannten „Beirat". In dieses Gremium wurden die Repräsentaten all jener Firmen berufen, mit denen die Deutsche Bank besonders gute Geschäfte machte. Der Kreis der „Auserwählten" war so groß, daß die Bank den Beirat aufteilte und sich mit seinen Mitgliedern auf regionaler Ebene traf. Ab und zu wurden alle Beiräte mit Damen zu einem festlichen Abend mit Theaterbesuch und anschließender Gala eingeladen. Im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Ereignisses stand immer eine Ansprache von Hermann Josef Abs. Meistens legte er dann seine Meinung über wirtschaftspolitische Ereignisse dar. Es war schon ein Genuß, diesem Mann zuzuhören. Er formulierte brillant, und das mit einem außergewöhnlichen Sachverstand. So lästig mir die gesellschaftlichen Zwänge dieser hochgestochenen Veranstaltungen auch fielen, die qualvollen Small-Talks und der Anblick der schmuckbehangenen, in sündhaft teure Abendkleider gepreßten Fabrikanten-Gattinnen, die Souveränität der Person Abs beeindruckte mich trotzdem immer wieder. Nach seiner Rede begrüßte er seine Gäste dann persönlich. Er ging von Tisch zu Tisch, und bei einer dieser Gelegenheiten lernte ich ihn kennen.
Ich bekam einen Termin - sogar kurzfristig
Schon wenige Tage danach hatte ich einen Termin mit ihm in der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt. Ein Chefsekretär empfing mich mit ausgesuchter Höflichkeit. Warten mußte ich nicht, Abs war dafür bekannt, daß er seine Termine auf die Minute genau einhielt. Er selbst trug einen dunkelgrauen, mit feinen Nadelstreifen durchwobenen Maßanzug. Als ich ihm gegenübersaß, legte sich meine Aufregung schnell. Abs gab sich von seiner liebenswürdigsten Seite und hörte mir aufmerksam zu. Am Ende des etwa halbstündigen Gesprächs versicherte er mir seine Sympathie, im übrigen sei es ein Hauptanliegen seiner Bank, aufstrebenden Privatunternehmern hilfreich zur Seite zu stehen. Konkrete Ergebnisse hatte ich von dieser Begegnung nicht erwartet, trotzdem fuhr ich etwas beruhigter wieder nach Hause. Es blieb zwar beim bisherigen Kreditrahmen, eine Kürzung der Kredite aber schien kein Thema mehr zu sein.
Anfang Juli 1967 wurden die ersten Farbfernseher ausgeliefert.
Aus Lagerbeständen wurden Forderungen, der Rückfluß des bis dahin gebundenen Kapitals setzte endlich ein, und SABAs Finanzchef gab Entwarnung. Am 25. August 1967 startete die Berliner Funkausstellung mit einem von der Fernsehwelt euphorisch gefeierten Auftakt. ARD und ZDF übertrugen gemeinsam eine monströse Unterhaltungsshow, und das zum ersten Mal in Farbe. Das Farbfernsehen zelebrierte endlich seinen Einstand.
Mist - die Neckermann Bombe war geplatzt
Jeder feierte, nur die Hersteller nicht. Denn wenige Tage vor dem großen Ereignis war eine Bombe geplatzt. Josef Neckermann hatte sie gelegt. Er hatte Unmögliches möglich gemacht und seine von Körting gebauten Farbfernseher zum Sensationspreis von knapp unter 2000 Mark angeboten. Die Branche stand Kopf. Während an den Ausstellungsständen letzte Hand angelegt wurde, tagte der Herstellerbeirat auf dem Messegelände ununterbrochen.
Neckermann machte auf Dumping.
Über das Zustandekommen dieses wahnsinnigen Preises gab es keine Frage. Neckermann machte auf Dumping. Er spiegelte dem nichtsahnenden Publikum eine Meisterleistung vor, die gar keine war, denn natürlich subventionierte er diesen Lockvogel aus den Gewinnen, die der knallharte Rechner aus seinem breitgefächerten Warenangebot zog. Aber nicht nur das brachte die Industrie auf die Palme. Neckermanns Rundumschlag stempelte die Gerätefabrikanten in den Augen der Öffentlichkeit zu Halsabschneidern.
Ein unglaublicher Preissturz setzte ein
Das Herstellerlager spaltete sich. Die eine Seite vertrat den Standpunkt, sich nicht beirren und den im Fernsehgeschäft unbedeutenden Neckermann in Gottes Namen gewähren zu lassen. Die andere Seite - und an ihrer Spitze Max Grundig - wollte dagegenhalten. Und damit war's auch schon passiert. Die Preise purzelten, noch ehe die ersten der über 500.000 Messe-Besucher die Ausstellung zu Gesicht bekamen.
Ein Debakel bahnte sich an.
Die Preissenkungen betrugen 500 Mark und mehr. Das galt natürlich auch für die vielen von SABA bereits an den Handel ausgelieferten Geräte, dem wir die Preisdifferenzen im vollen Umfang gutschreiben mußten. Die einkalkulierte Gewinnspanne war weg, die Arbeit vieler Monate umsonst.
Doch damit nicht genug. - Ein Fehlstart bahnte sich an ....
Nur wenige Wochen später meldete der Kundendienst unerklärlich viel Reklamationen. Irgendetwas schien mit SABAs Farbfernsehgeräten nicht in Ordnung zu sein. In den Vorführräumen der Händler funktionierten sie noch einwandfrei, doch sobald sie beim Käufer standen, gaben viele von ihnen schon nach kurzer Betriebszeit den Geist auf. Das könne nicht sein, konterten die Ingenieure, jeder einzelne Empfänger sei auf Herz und Nieren geprüft, bevor er das Werk verließ. Wahrscheinlich läge es an den Service-Leuten des Handels, die mit der neuen Technik doch noch nicht zurechtkämen.
Ergebnis der Ursachenforschung - mehrere Fehler
Als die Misere Ausmaße einer Epidemie annahm und verärgerte Händler die defekten Geräte zu Hunderten vor die Türen unserer Werksvertreter stellten, war höchste Alarmstufe fällig. Technische Stoßtrupps eilten an die Front, betrieben Ursachenforschung und halfen der hauseigenen Service-Organisation, den angefallenen Reparaturberg abzutragen. Ich selbst reiste wochenlang durch die Gegend und versuchte die aufgebrachten Händler zu beschwichtigen.
Das Tragische an der Sache war, daß es nicht nur ein Fehler war, der die Katastrophe auslöste; denn dann hätte man das Problem schnell wieder in den Griff bekommen. Es handelte sich vielmehr um mehrere falsch dimensionierte Baugruppen, die im Dauerbetrieb entweder ausfielen oder zu einer Verfälschung der Farben führten.
Anmerkung : Ich suche immer noch eine Beschreibung, was damals mit den Telefunken Hochspannugsteilen und Röhren nicht funktioniert hatte.
.
Wir hatten einen klassischen Fehlstart fabriziert
Es war zum Verzweifeln. Wir hatten einen klassischen Fehlstart fabriziert, und das ausgerechnet in einem Rennen, von dessen Ausgang der Fortbestand des Familienunternehmens abhing. Die Rechnung folgte auf dem Fuß. Die Herbsttagung des Großhandels-Beirats wurde zu einem Tribunal, die Technik saß auf der Anklagebank.
Hansjörg drehte durch und verprellte unsere Grossisten
In die Ecke gedrängt, drehte Bruder Hansjörg durch: „Wenn ich Ihnen als der technische Geschäftsführer dieses Hauses erkläre", herrschte er den Beirat an, „daß die Geräte in Ordnung sind, dann sind sie auch in Ordnung." Sprach's und verließ den Saal. Nur mit Mühe gelang es mir, die empörten Grossisten wieder zu beruhigen. Wütend, aber machtlos mußten wir mitansehen, wie man die in den Lieferverträgen vereinbarten Mengen gnadenlos zusammenstrich.
Unsere Großhändler hatten aber Recht
„Mit ein wesentlicher Vertragsbestandteil ist eure Pflicht, uns eine einwandfreie Ware zur Verfügung zu stellen", argumentierten die Großhändler mit Recht. Das zog schlimme Konsequenzen nach sich. Wir waren gezwungen, die Produktion zu drosseln. Zum ersten Mal wurde bei SABA kurzgearbeitet, und zum ersten Mal wurden wir mit Verlusten in Millionenhöhe konfrontiert. So konnte und durfte es nicht weitergehen. Besitzerstolz hin oder her, jetzt ging es nur noch darum, ohne Rücksicht auf die Gefühle einzelner tiefgreifende Maßnahmen zur Rettung des Unternehmens zu ergreifen. Dies aber bedeutete nichts anderes als die teilweise oder gar völlige Aufgabe unserer Eigenständigkeit.
Die Geier warteten, uns ging die finanzielle Luft aus und Max Grundig wollte zuschlagen
.