Teil 2 - Peter Zudeick gibt uns einen Rückblick und Einblick auf den Zeitgeist von 1835 bis in die 1930er Jahre
Peter Zudeick verknüpft die allgemeinen politischen Umstände und Gegebenheiten mit den zeitgleichen Wirtschaftsinformationen der (Rundfunk-) Industrie.
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Januar 1933 - Reichsrundfunk und Nazi-Wirtschaft
Im Januar 1933 gab es in Deutschland rund 6 Millionen Arbeitslose und 11,5 Millionen Beschäftigte - eine Arbeitslosenquote von 34,4 Prozent. Bis Ende 1933 ging die Zahl der Arbeitslosen um ein Drittel zurück auf etwa vier Millionen.
Anmerkung : Die Zahlen der Beschäftigten "scheinen" zu gering zu sein, doch die Frauenarbeit war zu der Zeit noch kein Thema, das kam erst später. Auch kamen die Millionen Aussiedler erst nach 1945 nach Westdeutschland. Andere Zahlen zum Vergleich werden in Kürze hier eingefügt.
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Es war aber nicht Hitlers Erfolg ....
Dieser Erfolg war zunächst vor allem auf die von Papen und Schleicher eingeleiteten Maßnahmen zurückzuführen, die im Frühjahr und Sommer voll zu Tragen kamen. Vor allem der Bau der Autobahnen, keineswegs eine Idee der Nazis, wurde von Hitler propagandistisch ausgenutzt, ebenso der Bau von Eisenbahnstrecken und Kanälen.
Diese Ankurbelungsmaßnahmen hatten den doppelten Effekt, massenhaft Arbeitslose in Beschäftigung zu bringen und die Rollbahnen für Hitlers Kriegspläne vorzubereiten.
Zusätzliche Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft
Dazu kamen beschäftigungspolitische Maßnahmen, die spezifisch für die Wirtschaftspolitik der Nazis waren: Die Kraftfahrzeugsteuer wurde im April 1933 aufgehoben. Das erhöhte die private Nachfrage nach Autos und schuf gleichzeitig einen höheren Bestand von Kraftfahrzeugen, die für militärische Zwecke requiriert werden konnten. Seit Juni 1933 wurden Ehestandsdarlehen an junge Paare vergeben, die Berufstätigkeit der Frau wurde durch die steuerliche Begünstigung der Beschäftigung von Hausangestellten gefördert.
Die Staats-Bürokratie wurde stark ausgeweitet
Zusätzlich wurde ein erheblicher Teil der Arbeitslosen durch die starke Ausweitung der Staats- und Parteibürokratie absorbiert, auch die Unternehmer wurden gedrängt, Halbtagsarbeitsplätze zu schaffen, um die Nachfrage nach Arbeitskräften zu erhöhen.
Die Erfolge des Jahres 1933 bei der Beseitigung der Arbeitslosigkeit konnten auch in den folgenden Jahren fortgesetzt werden.
Gekaufte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
1933 und 1934 gab das Nazi-Regime insgesamt über fünf Milliarden Reichsmark (rund 4 Prozent des Bruttosozialprodukts) für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus - auch wenn viele dieser Arbeitsplätze künstlich waren: Im März 1935 wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt, außerdem wurde der "freiwillige" Arbeitsdienst (1931 eingerichtet) zur Pflichtübung. Sechs Monate lang mußten junge Männer im Reichsarbeitsdienst harte körperliche Arbeit leisten - meist im Straßen- und Kanalbau, beim Bau von Dämmen, Deichen, Kögen, aber auch bei Ernteeinsätzen. Das entlastete den Arbeitsmarkt und diente gleichzeitig der vormilitärischen körperlichen „Ertüchtigung".
Bis zu Vollbeschäftigung in 1938
Durch solche Maßnahmen wurde die Arbeitslosigkeit weiter verringert: 1935 betrug die Arbeitslosenquote 9,6 Prozent, 1936 nur noch 5,7, 1937 dann 2,5 und 1938 knapp unter 1 Prozent - eine künstliche Art Vollbeschäftigung war erreicht.
Die Militärausgaben stiegen ungeheuer stark
1933 wurden rund 1,9 Milliarden Reichsmark für Militärausgaben eingesetzt, 1938 erreichten sie 17 Milliarden. Das bedeutet: 4 Prozent des Volkseinkommens entfiel 1933 für die Streitkräfte, 1938 waren es 20 Prozent (durchschnittlich 14 Prozent für die Jahre 1933 bis 1938). Das wahre Ausmaß des Aufrüstungsprogramms blieb den Zeitgenossen verborgen, weil der Reichshaushalt von Anfang an geheimgehalten wurde.
Abschaffung der parlamentarischen Kontrolle bereits 1933
Schon das Ermächtigungsgesetz vom März 1933 schaffte die parlamentarische Diskussion und Kontrolle des Haushalts ab, später wurden die Zahlen auch nicht mehr im Statistischen Jahrbuch veröffentlicht. Die Militärausgaben der Nazis können daher nur geschätzt werden: Bis zum Kriegsausbruch etwa 60 Milliarden Reichsmark.
Ein wesentliches Element der Nazi-Wirtschaft war die staatliche Lenkung der Wirtschaft.
Zerschlagung der Gewerkschaften - dafür neue Kartelle
Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter das gemeinsame Dach der „Deutschen Arbeitsfront" gezwungen, ein „Generalrat der Wirtschaft" wurde gegründet, ebenso der „Reichsnährstand", ein Kartell, das über Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln zentral bestimmte. Ziel dieses Staatskartells waren stabile Nahrungsmittelpreise, stabile Löhne in der Landwirtschaft, niedrigere Kosten - zum Beispiel für Kunstdünger -, niedrigere Steuern, bessere Gewinne durch Beschneidung der Handelsspanne und Abschaffung der Spekulationsgeschäfte. Ein weiteres Ziel war Autarkie der Nahrungsmittelproduktion, Leben „aus eigener Scholle", weil die Nazis nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges unbedingt vom Ausland unabhängig sein wollten.
Aus den Versäumnissen des 1. Weltkrieges gelernt
Ähnliches galt für die Industrie und alle anderen Wirtschaftszweige. Löhne und Preise wurden reglementiert, die ohnehin sehr hohen Steuern der Regierung Papen wurden beibehalten, zum Teil noch erhöht (Körperschaftssteuer), die Löhne wurden staatlich überwacht, sie durften festgelegte Höchstwerte nicht überschreiten.
Das zog die Einführung fester Einzelhandelspreise und die strikte Kontrolle von Handelsspannen, auch Devisenkontrollen zur Bewirtschaftung der Importe nach sich. Dazu kamen Investitionskontrollen, denn freie Mittel sollten in die Rüstungs- und Ersatzstoff-Produktion gesteckt werden. Auch dies ein Reflex auf die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg. Das Kaiserreich hatte seinen Krieg wirtschaftlich nur unzureichend „vorbereitet", die Produktion von Ersatzstoffen für ausbleibende Importe kam zu spät und unzureichend organisiert - das sollte den Nazis nicht passieren. Eine Art „Kriegswirtschaft zu Friedenszeiten" schien den Nazis die beste Vorbeugung zu sein.
1937 - Die staatlich gelenkte Wirtschaft
Dazu kam die Regelung von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt: Von 1937 an konnten wichtige Industriezweige Arbeitskräfte nur über die Arbeitsämter bekommen. Da Beschäftigungsfreiheit und Freizügigkeit nahezu abgeschafft waren, konnten die Arbeitsämter zentralistisch operieren.
Auf diese Weise schufen die Nazis nach und nach eine staatlich gelenkte Wirtschaft, in der über Produktion und Verbrauch nicht der Markt entscheidet, sondern behördliche Maßnahmen. Das gelang ohne große Schwierigkeiten, weil ein loyaler Beamtenapparat und prinzipiell kooperationsbereite Wirtschaftsverbände den Nazis gleichsam zur Hand gingen. Freilich erreichten die Nazis ein Ziel nie ganz: Weder in der Landwirtschaft noch in der Industrie wurde wirklich Autarkie erlangt, auch Nazi-Deutschland blieb von Importen abhängig.
Mit aller Kraft vorangetrieben : Die Rationalisierung
Ein wichtiges Element der Industriepolitik der Nazis war Rationalisierung, unter anderem zur Reduzierung der Typenvielfalt der industriellen Prouktion. Eine Maßnahme, die auch in der Rundfunkindustrie bedeutenden Einfluß hatte. Schon 1933 wurde eine „Wirtschaftsstelle für Rundfunkapparatefirmen" (WiRuFa) eingerichtet, später umbenannt in „Wirtschaftsstelle der deutschen Rundfunkindustrie". Diese Stelle hatte die Aufgabe, den Markt für Rundfunkgeräte zu regeln, Vertriebswege und Rabatte festzulegen, Händler-Lizenzen zu vergeben, vor allem aber Geräteklassen zu definieren und die Preise für diese Klassen festzulegen.
Der Rundfunk - jetzt Instrument der politischen Propaganda
Diese Reglementierung schränkte die Produkt- und Preispolitik der Rundfunkindustrie zwar entscheidend ein, gab aber andererseits auch erhebliche wirtschaftliche Impulse. Die Rundfunkindustrie war neben der Rüstungs- und Bauindustrie einer der Wirtschaftszweige, die am meisten von der Staatslenkung der Nazi-Wirtschaftsprolitik profitierten. Das lag vor allem daran, daß die Nazis - anders als die Rundfunkpioniere der Weimarer Zeit - den Rundfunk ganz bewußt als Instrument der politischen Propaganda verstanden.
Anfänglich beim Rundfunk ganz andere Ziele
Die Rundfunkleute der 20er Jahre hatten ihr Medium als weitgehend unpolitische Unterhaltungs- und Bildungsinstitution gesehen - ganz im Sinne der herrschenden Politik, die das neue Medium argwöhnisch beäugte und überwachte.
Hans Bredow, Staatssekretär im Reichspostministerium, betrachtete den unpolitischen, nur dem jeweiligen Staat und der Obrigkeit dienenden Beamten, auch als Ideal für den Rundfunk. Überparteilichkeit war sein Motto. „Ohne diese Überparteilichkeit", so Bredow 1930, „kann der Rundfunk eine unübersehbare Gefahr für den inneren Frieden werden".
Damit dieser innere Friede nicht beeinträchtigt werde, ließ sich Hans Bredow die groteskesten Definitionen seines „Unterhaltungsrundfunks" einfallen: „Er soll Weltanschauungsfragen, sozialpolitische und wirtschaftliche Betrachtungen zur Schonung von Empfindlichkeiten mit großer Vorsicht anfassen. Ja, er muß sie sogar farblos gestalten und parteipolitische Fragen sogar ängstlich meiden."
Über die Anfänge des Rundfunks
Information, politische zumal, fand im deutschen Rundfunk der Weimarer Zeit denn auch nur am Rande statt. Zwar hatte die „Radio-Stunde AG" zwei Gesellschafter: Die für musikalische, wissenschaftliche und literarische Beiträge zuständige „Deutsche Stunde, Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Unterhaltung mbH" und die für Tagesnachrichten und Politik zuständige „Drahtloser Dienst AG für Buch und Presse". Aber die Versorgung mit Informationen dieser Art war nur für Berlin festgeschrieben, und auch hier war der Gesamtzuschnitt des Programms überwiegend unterhaltend.
Musik und Humor
Musikprogramme bildeten den Schwerpunkt, dazwischen humoristische Einlagen, gelegentlich literarische Rezitationen. Der erste Programmdirektor des deutschen Rundfunks war der vorherige Werbechef des Vox-Konzerns, der das Geld für die ganze Veranstaltung lieferte. Dieser Friedrich Georg Knöpfke stellte das Programm zusammen, sagte es selbst an und gab gleichzeitig eine funkeigene Zeitschrift heraus.
Nie als politisches Medium angedacht
Bei dieser Konstellation war es kaum denkbar, daß der Rundfunk aus sich heraus zu einem auch politischen Medium werden könnte. Für alle Fälle waren aber zusätzliche Sicherungen eingebaut. Über jede Rundfunkgesellschaft wachten von Anfang an politische Ausschüsse und Kulturbeiräte, deren Mitglieder von der jeweiligen Landesregierung und vom Reichsinnenministerium delegiert waren. Mangels politischer Berichterstattung richtete sich die Tätigkeit dieser Zensurgremien auf kulturelle Sendungen.
Sprachliche Windungen gegen die Zensur
So berichtet die Vossische Zeitung vom 3. Januar 1928, daß das Gedicht „An die Mouche" von Heinrich Heine zu großen Komplikationen geführt habe. In diesem Gedicht kommt das Wort „Lendenkraft" vor, und weil außer Politik auch Erotik und Satire unter die Zensur fielen, habe das Zensurgremium erhebliche Schwierigkeiten gemacht. Der „Funkalmanach" von 1929 berichtet über ein frühes Beispiel der „Schere im Kopf" bei einem Sprecher der Norag (Nordische Rundfunk AG Hamburg): „Plötzlich, beim Ansagen einer neuen Platte, weiteten sich seine Augen, seine Stimme versagte - was stand da - nicht möglich - wirklich - Tausend nackte Frauen. Die 'Tausend nackten' waren schon durch den Äther geflattert, aber über die Frauen kam er nicht hinweg - dennoch wußte er sich zu helfen - er ersetzte die ,Frauen' durch ,Wilde', so daß diese Revue den Titel ,Tausend nackte Wilde' erhielt. Wilde sind immer nackt, und es hat einen anderen Klang."
Erste Politiker-Reden - seit 1923 möglich
Politisches kam in dieser Art Rundfunk allenfalls in Form von Politikerreden vor: So gibt es die unübertrefflich geniale Einrichtung des Kanzlergrußes zu Weihnachten über die Ätherwellen schon seit 1923.
Vor der Reichstagswahl 1924 durften sich die fünf größten Parteien selbst darstellen, vor der Präsidentenwahl 1925 sprachen zwei der drei Kandidaten: Hindenburg und Marx. Ernst Thälmann, Kandidat der Kommunisten, blieb ausgeschlossen. Allerlei Errungenschaften der heutigen Medienlandschaft sind also dem segensreichen Tun der Pioniere geschuldet, die schon damals mehr oder weniger unfreiwillig zutiefst politisch und parteilich agierten unter der Maßgabe, „unpolitisch" und „überparteilich" zu sein.
Daß diese Art von Selbstbeschränkung in die falsche Richtung wies, haben die Verantwortlichen dann auch irgendwann begriffen - augenscheinlich zu spät.
Der Runfunk sollte laut Bredow neutral bleiben
Hans Bredow schreibt 1932: „Bei dem Erlaß der Richtlinien für die Rundfunkarbeit wollte man ein Belehrungs- und Unterhaltungsmittel für ,Alle' schaffen, das keiner einzelnen Partei oder geistigen und künstlerischen Strömung dienen, sondern alles wiederspiegeln sollte, was das Leben der deutschen Nation bewegt. Den aus dieser Erwägung heraus gestellten Leitsatz der Überparteilichkeit in politischen und weltanschaulichen Dingen hat der Rundfunk ursprünglich dadurch zu erfüllen versucht, daß er sich allen weltanschaulichen oder politischen Dingen fernhielt, die zu Beanstandungen bei Andersdenkenden Anlaß geben konnte. Man kann sich vorstellen, welche Einengung der Programmtätigkeit dieser Standpunkt zur Folge hatte, und man wurde sich bald darüber klar, daß diese lähmende Überparteilichkeit den Rundfunk schließlich zum Erstarren bringen müsse."
Einsicht ohne Folgen
Allerdings hatte diese Einsicht nur recht dürftige Folgen. Die Deutsche Welle durfte von 1928 an politische Themen behandeln, wobei auch hier ein Ausschuß darüber wachte, daß alles schön ausgewogen war. Der Begriff „Ausgewogenheit" war damals zwar noch nicht gebräuchlich, aber inhaltlich gemeint, wenn von „Wahrung der Gleichheit" bei politischen Meinungsäußerungen die Rede war. Solche Sendungen - zum Beispiel diskutierte am 24. März 1929 Theodor Heuß mit dem früheren Reichsjustizminister Wilhelm Sollmann über Alkoholmißbrauch - blieben allerdings die Ausnahme.
Später - die Regierung beanspruchte Sendezeiten
Politik im Rundfunk wurde ausgangs der 20er Jahre immer mehr als Regierungspolitik verstanden. Weil Regierungspolitik angeblich keine Parteipolitik ist, beanspruchte die Regierung Sendezeiten, und das wurde allmählich zum Gewohnheitsrecht. Gegen das Volksbegehren von Deutschnationalen, Kommunisten und Nationalsozialisten gegen den Young-Plan konnte Reichsinnenminister Carl Severing (SPD) über Rundfunk argumentieren, Reichskanzler Brüning gab seine Notverordnungen über den Rundfunk bekannt, Berichte zur Lage der Nation ebenfalls. Zwar war das alles nur gut gemeint: Die gefährdete Demokratie sollte gegen ihre Feinde von rechts und links auch über das Medium Rundfunk verteidigt werden. Nur geschah dies durch die merkwürdigste aller Politisierungen: Durch den Besitzanspruch der Regierung auf den Rundfunk.
Die Regierung Papen schnappte sich den Rundfunk schon vor 1933 - es war bereits alles vorbereitet
Der „Vorwärts" karikiert den „Rundfunk 1932" so:
- „Ich hör' mir nen Minister an - am Vormittag.
- Und dann kommt noch ein zweiter dran - am Nachmittag.
- Und dann der Kanzler noch, ich wett' - abends um halb acht.
- Ich hör' das ganz Kabinett - bis mitten in die Nacht.
- Militärmusike gibt's sehr früh am Vormittag.
- Ein deutsches Lied aus deutschem Mund abends um halb acht.
- Ich tanz' mich national gesund bis mitten in die Nacht."
Die regierungsoffizielle Rundfunkpolitik durch Knebelung und Auflagen war eine prächtige Vorlage für die Nachfolger Brünings. Die Regierung Papen machte den Rundfunk endgültig zum Lautsprecher der Staatsmacht. Die „Stunde der Reichsregierung" wurde zum Pflichtprogramm für alle Sender. Liberale Intendanten wurden entlassen, schon unter Brüning war das Kapital der Sendegesellschaften in Staatsbesitz übergegangen, Staatskommissare wurden als Zensoren der einzelnen Anstalten eingesetzt.
„Öffnung" des Rundfunks für (fast) alle Parteien
Papen schaffte 1932 auch die „Öffnung" des Rundfunks für radikale Kräfte. Waren unter Brüning Nazis und Kommunisten vom Rundfunk ausgeschlossen, so wurden unter Papen feste Sendezeiten für „alle" Parteien eingerichtet - außer für die Kommunisten. Die Nazis waren damit zumindest im Radio „hoffähig" geworden.
Auf einmal waren es Reichssender - ohne Aufhebens
Die Verstaatlichung des Rundfunks nach der Machtübergabe an die Nazis war von daher kein sensationeller Akt, sondern kaum mehr als die konsequente Fortsetzung der Politik der Vorgänger-Regierungen. Die elf selbständigen Rundfunkgesellschaften wurden aufgelöst, ab 1. April 1934 waren sie als „Reichssender" der Reichsrundfunkgesellschaft unterstellt. Joseph Goebbels hatte als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda nach den Wahlen vom 5. März 1933 die politische Oberaufsicht über den Rundfunk, er setzte für diesen wie für andere Bereiche um, was Hitler als „moralische Sanierung des deutschen Volkskörpers" angekündigt hatte. „Der Rundfunk wird gereinigt, wie die ganze preußische und deutsche Verwaltung gereinigt wird", hatte Goebbels am 25. März 1933 verkündet, und die Einlösung dieses „Versprechens" ließ nicht lange auf sich warten.
Wer nicht spurt, kommt ins KZ
Im Berliner Sender, als „liberale" Stütze der Weimarer Republik bei den Nazis am meisten verhaßt, wurden über 40 Prozent des Personals entlassen, führende Persönlichkeiten wie Kurt Magnus und Alfred Braun kamen ins KZ, anderen wurde der Prozeß gemacht.
Von nun an machte Goebbels "Rundfunk"
Wie der neue Rundfunk auszusehen hatte, bestimmte Josef Goebbels: „Er hat sich der Zielsetzung, die sich die Regierung der nationalsozialistischen Revolution gestellt hat, unterzuordnen. Die Weisung gibt die Regierung." Für manche sogenannte "Journalisten" waren Weisungen dieser Art offenbar nicht einmal nötig.
Am 30. Januar 1933, als Reichstagspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler berief, jubelte ein Rundfunkreporter anläßlich des anschließenden Fackelzugs durch Berlin:
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- „Ein wunderbares Bild. Es ist ein Bild, wie es vielleicht einmal gewesen sein mag 1813, als es hieß, der König rief, und alle, alle kamen. So muß es einmal gewesen sein, und so erleben wir es jetzt hier auch. Das ganz Große, daß wir einen geschichtlichen Moment, über dessen Bedeutung wir uns heute vielleicht noch gar nicht klar sind, in diesem Augenblick durch den Rundfunk miterleben."
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Bereits 1933 - Die erste Idee eines Volksempfängers für alle
Damit möglichst viele Deutsche in die Lage kämen, möglichst viele solcher historischen Augenblicke am Radio mitzuerleben, sollte jeder Haushalt mit mindestens einem Rundfunkgerät bestückt werden. „Rundfunk in jedes deutsche Haus" war 1933 die Parole des Propagandaministeriums.
Zwar waren 1933 - zehn Jahre nach der ersten Sendung - über 4,3 Millionen Rundfunkteilnehmer registriert, aber Beamte und Angestellte waren beim Radiohören weit überrepräsentiert. 1930 waren nur rund 25 Prozent der Arbeiter, die immerhin 43 Prozent der Bevölkerung ausmachten, Rundfunkteilnehmer. Der Rundfunk als wichtigstes Propagandainstrument der NSDAP mußte aber alle Bevölkerungsschichten erreichen, und deshalb mußte die deutsche Rundfunkindustrie massenhaft billige Empfänger produzieren - den „Volksempfänger".
Der „VE 301" in Erinnerung an Hitlers Machtübernahme
Schon 1933 gingen diese billigen Kleinradios in Serie, eine Gemeinschaftsproduktion der deutschen Rundfunkindustrie. Technisch waren diese Geräte gerade mal so ausgelegt, daß sie nur den nächstgelegenen Reichssender empfangen konnten (allermeist hatten sie nur eine Röhre) - ausländische Sender kamen mit dem Volksempfänger also grundsätzlich nicht ins Haus. Das Ganze war eine reine "Staatsveranstaltung": Der Vertrieb wurde vom Staat gefördert, er räumte großzügige Rabatte ein, setzte Zwangsrabatte für die Händler fest, übernahm die gesamte Werbung. Die Typenbezeichnung - „VE 301" - war eine Erinnerung an den 30. Januar, den Tag der Machtübergabe an die Nationalsozialisten.
Offensichtlich gab es keine Proteste der Hersteller
Trotz dieser Umstände, die all dem massiv zuwiderlaufen, was Unternehmer gern über den Charakter des freien Wirtschaftens von sich geben - Proteste gegen diese Art der Zwangsbewirtschaftung aus der Rundfunkindustrie hat es wohl nicht gegeben. Jedenfalls sind sie nicht bekannt geworden. Das hat einen recht simplen Grund. Etwas Besseres als die nationalsozialistische Wirtschaftslenkung konnte der Rundfunkwirtschaft gar nicht passieren.
Erst 76.- Reichsmark, dann 65.- RM, dann 35.- RM
Der „VE 301" kostete 76 Reichsmark, rund die Hälfte weniger als ein vergleichbarer Markenempfänger. Die erste Produktion - 100.000 Apparate - war bereits am ersten Tag der Funkausstellung 1933 verkauft, und weil der Volksempfänger ein Verkaufsschlager blieb, konnte der Preis sogar auf 65 Mark gesenkt werden. Zusätzlich wurde 1938 ein noch billigeres Gerät produziert, der Deutsche Kleinempfänger (DKE 1938) für 35 Reichsmark. Er bekam im Volksmund den Ehrentitel „Goebbels-Schnauze".
Auch die Rechtssprechung wurde "verbogen"
Damit das Ziel „Rundfunk in jedes deutsche Haus" nicht durch widrige Umstände sabotiert werden könne, schmiegte sich auch die Rechtssprechung den Propaganda-Wünschen der Nazis frühzeitig an. Unter Justisten war bis dahin strittig, ob man das Rundfunkgerät eines Schuldners pfänden dürfe, ob es also als Luxusartikel oder unentbehrlicher Gegenstand des täglichen Bedarfs interpretiert werde. 1934 hat das Berliner Kammergericht hier Klarheit geschaffen: Weil der Rundfunk in diesen großen Zeiten nicht nur der Unterhaltung des Publikums, sondern auch der staatsbürgerlichen Belehrung und Erziehung sowie der Schaffung der Einheit des deutschen Volkes diene und überdies wichtige Nachrichten verbreite und bisweilen Gesetze verkünde, dürfe ein Rundfunkgerät nicht gepfändet werden. Auf keinen Fall der einfache Volksempfänger. Bei der teuren Musiktruhe waren die Berliner Richter weniger nachsichtig.
1935 - „Rundfunk in jeden Betrieb"
War auf diese Weise der Rundfunk in jedem deutschen Haus doppelt gesichert, mußte er nun noch dem Arbeiter am Arbeitsplatz nahegebracht werden. „Rundfunk in jeden Betrieb" lautete deshalb die Parole der „Deutschen Arbeitsfront" 1935. Begründung: „Wir wissen, daß der Führer bei politisch wichtigen Ereignissen während der Arbeitsstunden des Tages zu den schaffenden deutschen Menschen sprechen und sie an ihren Arbeitsstätten erreichen will. Für diese Augenblicke heißt es gerüstet zu sein."
Der „Arbeitsfront-Empfänger"
Diese Aufrüstung vollzog sich durch den „Arbeitsfront-Empfänger", Typenbezeichnung „DAF 1011" in Erinnerung an den 10.11.1933, als Hitler zu den Arbeitern der Berliner Siemens-Werke gesprochen hatte. Die Übertragung dieser Rede war der erste offizielle angeordnete „Gemeinschaftsempfang des deutschen Volkes". Schließlich kam 1936 ein weiteres „politisches Gerät" auf den Markt, der „Deutsche Olympia-Koffer", ebenfalls ein Gemeinschaftserzeugnis der deutschen Rundfunkindustrie. Mit diesem batteriebetriebenen Koffergerät sollte der deutsche Volksgenosse vor allem die Übertragungen von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin auch unterwegs und im Freien hören können.
Vom Erfolg "gekrönt"
Die Volksempfänger-Strategie hatte den gewünschten Erfolg: Von 4,3 Millionen im Jahr 1933 stieg die Zahl der Rundfunkteilnehmer auf 12,5 Millionen im Jahr 1939. Für die Rundfunkindustrie insgesamt bringt die Volksempfänger-Produktion nur Vorteile: 1933 werden über 650.000 "VE301" produziert, 1934 sogar über 840.000, und 1938, als der DKE mit einer Produktionszahl von über 929.000 zusätzlich auf den Markt kam, wurden noch über 520.000 "VE301" hergestellt. Das besonders Praktische an diesen Staatsaufträgen: Der Volksempfänger-Verkauf ist nicht saisonabhängig, daher sind die Produktionskapazitäten zu einem soliden Prozentsatz fast ganzjährig ausgelastet.
Erstaunlich, keine Einbußen im hochpreisigen Geschäft
Die Herstellung der Markengeräte läuft derweil weiter, es gibt keinerlei Einbußen des normalen Geschäfts. 1931 setzt die gesamte deutsche Rundfunkindustrie rund eine Million Geräte ab, 1938 waren es mehr als 1,5 Millionen Markengeräte plus 1,4 Millionen Volksempfänger. Das Geschäft mit der staatsgelenkten Wirtschaft konnte gar nicht besser laufen, leichte Absatzrückgänge 1936 und 1937 waren mühelos zu verkraften.
Auch SABA auf der Erfolgsschiene
Auch bei SABA sorgt der Volksempfänger für einen kräftigen 74% Umsatzschub. Im Sommer 1933 übernimmt SABA Produktion und Vertrieb des "VE 301", im Jahr 1937 verlassen täglich 400 Geräte die Firma, das ist eine Jahresproduktion von fast 166.000 Stück. Auch beim Deutschen Kleinempfänger ist SABA dabei, auch hier sorgen die großen Stückzahlen für ordentliche Gewinne.
Daneben geht die Produktion der anderen Geräte unvermindert und unbehindert weiter. SABA versucht auch während der Nazi-Zeit, die erfolgreiche Sortimentspolitik der Jahre 1930-1933 fortzusetzen; jedes Jahr sollen neue Geräte mit technischen Verbesserungen auf den Markt kommen, wobei vor allem Wert auf Klangqualität, äußere Gestaltung und Bedienungskomfort gelegt wird.
1933 - Ein SABA mit dem „magischen Auge"
Im Programm von 1933 ist zum ersten Mal ein Gerät mit optischer Abstimmanzeige, ein Vorläufer des „magischen Auges", 1934 hat ein SABA-Gerät zum ersten Mal drei Wellenbereiche - neben Mittel- und Langwelle auch die Kurzwelle. Immer wieder wird mit der Form der Geräte experimentiert. So wird 1934 der Lautsprecher neben dem Empfängerteil eingebaut, vorher lag er darüber. Solche Experimente mißlingen allerdings auch gelegentlich.
1935 - Ein neues SABA Design floppt
1935 verpaßt SABA seinen Geräten einen ganz neuen Schnitt, eine recht strenge Linie mit metallumfaßtem Lautsprecherund Skalenbereich. Aber dieses „moderne" Design kommt nicht an, zum ersten Mal seit 1930 geht der SABA-Umsatz zurück, und zwar von 14,7 Reichsmark 1934 auf 10,7 Millionen 1935. Rund 50 Arbeiter werden entlassen. Allerdings kann diese Flaute recht schnell überwunden werden. 1936 steigt der Umsatz schon wieder auf 15 Millionen, 1937 liegt er bei fast 17 Millionen.
1937 - wieder ein SABA Renner
Der Schlager der Saison ist ein Gerät, bei dem die Senderskala über dem Lautsprecher in Schräglage angebracht ist, abgedeckt mit einer 75° Klappe, die einem Klavierdeckel ähnelt. Diese Gerät-Klasse bekommt auf der Pariser Weltausstellung 1937 eine Goldmedaille für besonders formschöne Industrieerzeugnisse.
SABA mit automatischer Scharfabstimmung
1937/38 bringt auch auf technischem Gebiet einen durchschlagenden Erfolg: Das erste Radiogerät der Welt mit automatischer Scharfabstimmung und automatischem Sendersuchlauf (und das alles bei Mittelwelle - UKW gab es noch gar nicht) wird von SABA auf den Markt gebracht. 1938 verläßt der millionste Empfänger das SABA-Werk, der Umsatz steigt auf 18 Millionen Reichsmark, 1.020 Arbeitskräfte sind bei SABA beschäftigt.
Im "Kartell" gut aufgehoben
Die gute Ertragslage ist nicht nur der soliden Volksempfängerbasis geschuldet, sondern zwei weiteren „Errungenschaften" der NS-Wirtschaftspolitik: Zum einen Kartellabsprachen vom August 1934 und Februar 1936, wonach nur anerkannte Groß- und Einzelhändler beliefert und keine neuen Händler zugelassen werden durften. Anerkannt wurden nur „zuverlässige" Händler; bei Großhändlern hieß das, daß sie mindestens 30.000 Reichsmark "stark" sein mußten - ohne Kredit.
1934 - ein Preisklassensystem mit fast festen Preisen
Zum anderen wurde 1934 ein Preisklassensystem für Rundfunkgeräte eingeführt. Für jede Kategorie wurde ein unterstes Preisniveau festgelegt, zu dem das Gerät auf den Markt gebracht werden durfte. Dieses System garantierte vor allem den Firmen hohe Gewinnspannen, deren gemeldete Preise wegen günstiger Produktionsbedingungen unter dem Durchschnitt lagen und deshalb heraufgesetzt werden mußten - wie bei SABA.
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