Teil 2 - Peter Zudeick gibt uns einen Rückblick und Einblick auf den Zeitgeist von 1835 bis in die 1930er Jahre
Peter Zudeick verknüpft die allgemeinen politischen Umstände und Gegebenheiten mit den zeitgleichen Wirtschaftsinformationen der (Rundfunk-) Industrie.
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1835 - Zeiten für Pioniere und Goldgräber
Als Joseph Benedikt Schwer (Ur-Ur-Opa von Hermmann Brunner-Schwer) 1835 in Triberg seine kleine Uhrenfabrik gründete, folgte er einem wirtschaftlichen Trend. Nach den napoleonischen Kriegen wuchs die Produktion von Schwarzwälder Uhren stetig.
1790 - erste verläßlichen Zahlen
1790 - für dieses Jahr liegen die ersten verläßlichen Zahlen vor - gab es rund 600 Uhrmacher im Schwarzwald, davon etwa 300 selbständige. Die Jahresproduktion betrug insgesamt rund 110.000 Stück.
1830 - 1.350 Uhrmacher
1830 waren es schon 1.350 Uhrmacher mit einer Jahresproduktion von etwa 300.000 und 1845 rund 2.700 mit etwa 600.000 Uhren pro Jahr. Eine Verdoppelung von Produktion und Beschäftigung in 15 Jahren, also das, das man Wachstumsbranche nennen kann.
Joseph Benedikt Schwer stellte "Jockele"-Uhren her, kleine Wanduhren mit Messingfronten und Email-Zifferblättern, eine Spezialität der Schwarzwälder Uhrenbauer. Die Bezeichnung geht wahrscheinlich zurück auf Jakob Herbstrieth aus Urach, dessen abgewandelter Vorname "Jockele" den von ihm gebauten Miniatur-Uhren den Namen gegeben haben soll.
1840 - wieder ein Umbruch
Darüber hinaus war Benedikt Schwer ein Bastler: Er konstruierte eine Spezialzange, mit der man Blechstücke im vorgesehenen Winkel ohne erkennbare Abweichungen biegen konnte. Der „Schwarzwälder Blechanker" konnte auf diese Weise präzis hergestellt werden. Ein eigenes Härteverfahren machte außerdem nachträgliche Korrekturen am Anker möglich - beides Voraussetzungen für besonders paßgenaues Arbeiten.
Schwers Uhrenfabrik war eine der wenigen, die das sogenannte „Amerikanerwerk" nicht !! übernahm. Nach 1840 war aus den USA ein Uhrwerk nach Europa gekommen, das aus durchbrochenen Messingplatinen und ausgestanzten Messingrädern gefertigt war - leicht, präzis und vor allem billiger als die meist noch aus Holz gebauten Werke der üblichen Schwarzwälder Uhren. Joseph Benedikt Schwer zog es vor, massive Metallwerke (meist auch aus Messing) mit Federaufzug zu bauen, „solidere" Uhren als die „billigen" Amerikaneruhren.
Die Gefahr der billigen Massenartikel kündigte sich an
Aber die amerikanische Konkurrenz machte auch ihm bald zu schaffen, die billigen Massenartikel wurden zu einer ernsthaften Gefahr für die traditionelle Uhrenfabrikation im Schwarzwald. In den 1880er Jahren erweitert sein Sohn August Schwer die Produktion auf Miniatur-Regulatoren, Nipp-Ührchen, versuchte auch billige Taschenuhren zu bauen. Aber die Firma Schwer hatte nicht genügend Kapital, um große Serien aufzulegen, die unrentable Produktion mußte bald wieder eingestellt werden. Schließlich wich August Schwer auf produktionstechnisch verwandte Artikel wie Briefwaagen und kleinere Metallfabrikate aus.
1905 - Hermann Schwer übernimmt die Firma
Hermann Schwer, der Enkel des Firmengründers (Opa von HBS), übernimmt 1905 - noch zu Lebzeiten seines Vaters August (Ur-Opa von HBS) - den Betrieb. Auch er ist gelernter Uhrmacher, aber die Uhrenproduktion ist zu dieser Zeit für einen Kleinbetrieb kaum noch rentabel. Hermann Schwer erweitert daher die Produktpalette, ohne die Uhrenproduktion einzustellen - Rasierapparate, Türklingeln, Fahrradglocken und andere Kleinteile werden zum Produktionsschwerpunkt.
Eine typische Entwicklung der 30er Jahre
Auch das ist eine typische Entwicklung: Während in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts kleine und mittelständische Uhrenbetriebe im Schwarzwald Konjunktur hatten, war diese Branche meist schon gegen Ende des 19., erst recht aber anfangs des 20. Jahrhunderts gezwungen, von der Uhrenproduktion auf Feinmechanik, Werkzeug- oder Maschinenbau, Metallbearbeitung oder Elektrotechnik auszuweiten oder ganz umzustellen.
Ab 1914 - Erster Weltkrieg
Ganz große Probleme bekommt die Schwarzwälder Uhrenindustrie im Ersten Weltkrieg: Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts war das europäische Ausland der Hauptabsatzmarkt für Schwarzwälder Uhren, diese Auslandsmärkte gehen im Krieg verloren. Dazu kam die allgemein miserable wirtschaftliche Situation während des Krieges.
Voraussehbarer Untergang - Druck von Banknoten.
1913 lag das gesamte Volkseinkommen bei etwa 50 Milliarden Reichsmark. Bezogen auf die Kaufkraft der Reichsmark von 1913 betrugen die Kriegsausgaben des Reiches mehr als 100 Milliarden Mark. Finanziert wurde dieser Krieg zu rund 70 Prozent durch Kredite, und zwar überwiegend durch Kriegsanleihen, die von der Bevölkerung gezeichnet wurden, und durch Schatzanweisungen. Seit Mitte 1916 wurden zusätzlich verschiedene Steuern erhöht.
Da diese Maßnahmen aber bei weitem nicht ausreichten, wurde die Geldmenge erhöht, und zwar insgesamt um das Fünffache. Das simpelste Mittel: Druck von Banknoten. Während des Krieges stieg der Notenumlauf von drei auf 22 Milliarden Mark.
Ein "unausweichlicher" Krieg - neudeutsch "alternativlos" ??
Bemerkenswert für die Wirtschaftsentwicklung: Politisch war dieser Krieg von den Herrschenden als gleichsam unausweichlich angesehen worden, ideologisch war er bestens vorbereitet, wirtschaftlich so gut wie nicht. Erst rund fünf Monate nach Kriegsausbruch wurde deutlich, was ein Krieg bedeutet, der nicht zu Pferde und mit dem Säbel geführt wird, sondern vor allem mit Technik und Material. Erst jetzt begann die Entwicklung einer Kriegswirtschaft im engeren Sinne.
Völlig ungenügende idiotische Voraussetzungen
Rohstoffe für Waffen und Industrie-Erzeugnisse wurden so knapp, daß sie durch Kriegsgesellschaften bewirtschaftet werden mußten, von überseeischen Importen war das Deutsche Reich so gut wie abgeschnitten. Diese Kriegsgesellschaften - private Neugründungen - erhielten das staatliche Beschlagnahmerecht und wurden mit der Verteilung der knappen Rohstoffe beauftragt. Diese Mischung aus staatlicher und privater Wirtschaftslenkung wurde durch das „Hindenburg- Programm" von August 1916 noch stärker zentralisisert.
1916 - Erstmalige Dienstverpflichtungen
Von Dezember 1916 an wurden alle männlichen Arbeitskräfte zwischen 17 und 60 Jahren zum „Vaterländischen Hilfsdienst" verpflichtet. Diese Arbeitskräfte wurden überwiegend den für die Rüstungsindustrie wichtigen Wirtschaftszweigen zugewiesen - eine totale Mobilisierung der Arbeiterschaft auf der einen und eine ebenso totale Militarisierung der Privatwirtschaft auf der anderen Seite.
Das Reichskriegsamt teilt zu .....
1916 wurde zusätzlich ein Reichskriegsamt geschaffen, das als verlängerter Arm der Obersten Heeresleitung entscheidend in Produktionsprozesse eingreifen konnte. Wenn in bestimmten Wirtschaftszweigen aufgrund von Rohstoff- und Arbeitskräftemangel Maschinen oder ganze Fabrikanlagen nicht ausgelastet waren, konnten sie kriegswichtigen Produktionsbereichen zugeteilt werden. Betriebe von geringer Kriegswichtigkeit wurden teilweise oder ganz geschlossen. In der Verbrauchsgüterindustrie zum Beispiel verringerte sich die Zahl der Unternehmen um fast die Hälfte.
1916 - Die Bevölkerung hungert
Die Bevölkerung hungerte, insgesamt starb über eine halbe Millionen Deutscher während des Ersten Weltkrieges an Hunger. Anfang 1915 gab es Brotkarten, danach Fleischkarten, von 1916 an waren alle Lebensmittel rationiert. Die Zuteilung richtete sich nach dem angenommenen spezifischen Bedarf der verschiedenen Berufsgruppen: Wer in der Rüstungsindustrie arbeitete, wurde grundsätzlich besser mit Lebensmitteln versorgt als andere. Zunächst waren die Kommunen für die Verteilung zuständig, seit Frühjahr 1916 geschah auch das zentral durch das neu gegründete Kriegsernährungsamt.
1918 - Brot aus Kartoffelmehl
All diese Maßnahmen reichten allerdings nicht aus, weil auch Agrarprodukte nicht importiert werden konnten, so daß man bald zur Produktion von Ersatzstoffen übergehen mußte: Brot aus Kartoffelmehl und Gerstenschrot, Kaffe aus Malzextrakten, Fett aus Schnecken und dergleichen mehr. 1918 bestand die Tagesration eines Großstädters aus 440 Gramm Kartoffeln, 200 Gramm Brot, 50 Gramm Zucker, 35 Gramm Fleisch und 9 Gramm Fett.
Nach 4 Kriegsjahren fast völlig am Ende
Die vier Kriegsjahre hatten die deutsche Wirtschaft völlig ausgelaugt. Zwar war Deutschland selbst kein Kriegsschauplatz gewesen, so daß weder landwirtschaftliche Gebiete noch Industrieanlagen zerstört waren. Aber in der Landwirtschaft zum Beispiel erreichte die Getreide-Produktion 1919 knapp die Hälfte des Vorkriegsniveaus, unter anderem weil Stickstoff jahrelang nicht als Düngemittel zur Verfügung gestanden hatte, weil er für die Rüstungsindustrie beschlagnahmt worden war. Ähnlich die Lage in der Industrie: Mangel an Arbeitskräften und kriegsbedingter Verschleiß führten dazu, daß die Industrie 1919 nur 42 Prozent der Jahresproduktion von 1913 erreichte.
Langsamer Wiederaufbau wegen der Reparationen
Der Wiederaufbau nach dem Krieg wurde durch steigende Ausgaben für Reparationen erschwert, zusätzlich verschlang die Demobilisierung der Streitkräfte - zur Zeit des Waffenstillstandes waren rund sechs Millionen Deutsche unter Waffen - und der Rüstungsindustrie erhebliche Mittel. Der erhöhte Importbedarf verteuerte die Lebenshaltung, die aufgrund der Zahlungsbilanzdefizite immer schwächer werdende Reichsmark verteuerte die Einfuhren, dies wiederum erhöhte die Produktionskosten - das Nachkriegsdeutschland schlitterte mit hohem Tempo in die Inflation.
1922 - Erste Geldentwertung um 90%
Gut fünf Jahre nach Kriegsende war die Mark auf ein Zehntel ihres Vorkriegswertes gesunken, nach weiteren zweieinhalb Jahren sackte sie wiederum auf ein Zentel des vorherigen Wertes, im Oktober 1923 betrug der Zeittakt bis zum Verfall auf ein weiteres Zehntel im Schnitt nur noch zehn Tage.
Gerechnet wurde nur noch in Milliarden Reichsmark
Im Herbst 1923 kostete ein Ei 320 Milliarden Reichsmark, ein Brot 500 Milliarden, ein Brötchen 20, ein Pfund Butter 2.800 und eine Zeitung 50 Milliarden. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erreichte unvorstellbare Dimensionen.
Jeder war daran interessiert, sein Geld sofort auszugeben, weil es von Tag zu Tag rapide entwertet wurde, die Preise demgemäß rapide stiegen. Über 300 Papiermühlen und rund 2.000 Druckerpressen waren Tag und Nacht mit der Herstellung von Banknoten beschäftigt, trotzdem reichte in der letzten Phase dieser Inflation die Geldscheinmenge nicht mehr aus. Wer ein Brot kaufen wollte, mußte das Geld im Rucksack oder in einem Kinderwagen transportieren.
Unternehmen "machten" sich eigenes Geld
Unternehmen gingen dazu über, Löhne und Gehälter mit eigenem Geld zu bezahlen, als Werteinheit dienten häufig Gold oder Dollar, manchmal waren es auch Güter: In Hannover und Ostpreußen wurde Roggen als Bezugsgröße genommen, in Pommern Zucker, in Schlesien Kohle. Mehr und mehr weigerten sich die Menschen, Reichsbanknoten anzunehmen, vor allem Landwirte; was in Großstädten wie Breslau, Berlin und Frankfurt zu erheblichen Versorgungsproblemen führte.
1923 - Die Franzosen marschierten nocheinmal ein
Dazu kam ein weiteres Problem: Ende 1922 war Deutschland mit den Reparationszahlungen in Rückstand geraten. Mit 1,6% der Barzahlungen, 12% bei den Kohlelieferungen und rund 50% bei den Holzlieferungen. Frankreich, Belgien und Italien erklärten offiziell - gegen den Widerstand der Engländer -, daß Deutschland mit seinen Reparationen im Verzug sei, französische und belgische Truppen marschierten am 11. Januar 1923 ins Ruhrgebiet ein, um Reparationsleistungen direkt herauszuholen.
Widerstand gegen die Franzosen .....
Die Reichsregierung wies alle Beamten an, die Befehle der Besatzungsmächte zu ignorieren. 180.000 deutsche Beamte wurden entlassen, die Besatzer bildeten eine eigene Zivil- und Transportverwaltung. Die deutschen Arbeiter weigerten sich, unter militärischer Besatzung weiterzuarbeiten, auch die Bevölkerung leistete hartnäckig passiven Widerstand, den die Reichsregierung unterstützte. Der Lohn für die streikenden Arbeiter wurde weitergezahlt, wer von den Franzosen entlassen oder des Landes verwiesen worden war, wurde unterstützt. Das war teuer, heizte die Inflation zusätzlich an und trieb sie in astronomische Höhen, denn das alles mußte wiederum durch die Notenpresse finanziert werden.
.... führte zum Staatsbankrott
In dieser Phase konnte die Reichsregierung nur noch 19% ihres Haushaltes aus Steuern decken. Hatte der ungedeckte Fehlbedarf 1920 noch 155 Milliarden Reichsmark betragen, so lag er 1922 schon bei rund 5,5 Billionen, 1923 bei fast 590 Trillionen - eine Billion ist eine Million Millionen (oder 1.000 Milliarden), also eine 1 mit 12 Nullen, eine Trillion ist eine Million Billionen, also eine 1 mit 18 Nullen.
Mit anderen Worten: Die Reichsmark war zusammengebrochen, der Staat war bankrott.
1920 - Überleben mit Fahrradglocken
In dieser desolaten wirtschaftlichen Situation fällt Hermann Schwers Entscheidung, von der Produktion von allerlei Gebrauchsgegenständen auf den Luxusgegenstand Radio umzusteigen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte er aus der Uhrenfabrik seines Großvaters endgültig die „Metallwarenfabrik August Schwer Söhne" gemacht, hatte außerdem den Firmensitz nach Villingen verlegt, weil in Triberg keine Expansionsmöglichkeiten waren. Das Unternehmen produziert „Massenartikel" für den täglichen Gebrauch. „Spezialität: Fahrradglocken, Türglocken, Laufwerke, Briefwaagen". Vor allem Fahrradklingeln sind der große Renner: Nach dem Krieg sind Fahrräder das bevorzugte Fortbewegungsmittel, trotz der miserablen gesamtwirtschaftlichen Situation kann die Firma bis zu 14.000 Stück pro Tag produzieren, das Exportgeschäft läuft gut. Freilich dauert die Herrlichkeit nicht allzu lange. Schon 1922 zeigt sich, daß zu viele Fährräder und Fahrradartikel auf dem Markt sind. Hermann Schwer will auf neue Produkte umstellen.
Hermann Schwer sattelt um auf Strom-Geräte
1922 wird eine schwachstromtechnische Abteilung aufgemacht, die Klingeltransformatoren und verwandte Artikel herstellt. Hermann Schwer denkt daran, Spielzeugeisenbahnen, Fotoapparate oder Rundfunkgeräte herzustellen. Denn trotz der galoppierenden Inflation, trotz der finanzwirtschaftlichen Katastrophe, die zu Beginn der 20er Jahre für jeden zu erkennen war, gab es weiterhin Absatzmärkte für bestimmte Produktionszweige, vor allem für Konsumgüter.
Der Begriff der "Inflationsgewinner"
Selbst in den schlimmsten Inflationszeiten gab es mehr Inflationsgewinner als Geschädigte, bis 1922 wuchs die Industrieproduktion beständig. Nimmt man für 1913 den Faktor 100 für die Industrieproduktion, dann erreichte sie 1919 zwar nur 42%, 1922 aber fast schon 80%, die Nahrungsmittelproduktion verlief ähnlich positiv.
Wenn man der SABA-Firmenchronik glauben darf, hat Hermann Schwer die Brüchigkeit dieser Aufwärtsentwicklung erkannt und vorausgesehen, „daß die Inflationskonjunktur bald zu Ende gehen werde und der sogenannte Warenhunger gesättigt sei, daß es also nun höchste Zeit werde, neue Fabrikationsartikel aufzunehmen und vorzubereiten."
1923 - Zukunftsperspektive : Rundfunk
Die Entscheidung für den Rundfunk fiel im Frühjahr 1923, nachdem Hermann Schwer auf einer seiner zahlreichen Auslandsreisen in Zürich im Studio von Telefunken die Rundfunkübertragung eines Konzertes aus Paris hörte. Er war einerseits begeistert von dieser neuen Technik, andererseits davon überzeugt, daß die Rundfunkproduktion wirtschaftlich Zukunft haben würde.
Der Rundfunk war im Ausland bereits etabliert
Das war auf den ersten Blick sicherlich eine mutige kaufmännische Entscheidung, waghalsig war sie auf den zweiten Blick aber keineswegs. Zu dieser Zeit war die drahtlose Rundfunkübertragung technisch so weit entwickelt, daß die Einführung des öffentlichen Rundfunks ohne weiteres möglich war. In den USA und in Großbritannien waren bereits 1920 lokale Rundfunksender entstanden, 1923 gab es in den USA schon über eine Million Rundfunkhörer - es handelte sich also keineswegs um ein völlig „neues" Medium.
Der "Staat" erzwang die Kontrolle über den Rundfunk
In Deutschland freilich gab es erhebliche Startschwierigkeiten. Den Ministerialbürokraten saß der Schock vom 9. November 1918 noch tief im Bewußtsein, als Soldatenräte das "Wolff'sche Telegraphische Bureau" in Berlin besetzt und die Meldung vom Sieg der Revolution in Deutschland um die ganze Welt gefunkt hatten.
Für die Herrschenden der Weimarer Republik war daher klar, daß Rundfunk prinzipiell eine politisch gefährliche Sache sei und daher nur unter der Obhut von Vater Staat betrieben werden dürfe, damit er den Interessen der Allgemeinheit und nicht einzelner politischer Gruppen diene. Träger dieser Staatsveranstaltung Rundfunk wurde gleichsam automatisch die Deutsche Reichspost, denn sie hatte die „Funkhoheit". Das bedeutet nicht nur das Recht des Staates, über Einrichtung und Betrieb von Sende- und Empfangsanlagen zu bestimmen, sondern auch über die Organisation des Rundfunks.
Merkwürdige Argumentation damals :
Hans Bausch, langjähriger Intendant des Süddeutschen Rundfunks, schreibt: „Da das Fernmeldeanlagengesetz den Rundfunk nur als Unterabteilung des Funks schlechthin charakterisierte, begründete es mit dieser Vorstellung einen formalen Primat der Technik über Organisation, Wirtschaftsführung und Programm des Rundfunks in Deutschland."
Der erste Sender in Sender in Königs-Wusterhausen
Die Anfänge des Rundfunks waren daher eher mager: Die Reichspost hatte kaum Interesse daran, Musik und Wort zur Unterhaltung des Publikums zu übermitteln; sie verbreitete zunächst Morsezeichen drahtlos und telegraphisch über den Sender Königs-Wusterhausen. Der belieferte rund 80 Postämter im ganzen Reich mit Nachrichten, die an Zeitungen und Pressebüros per Boten oder telephonisch weitergegeben wurden.
Der Name Bredow taucht zum ersten Mal auf
1919 wurde eine Abteilung „Funktelegraphie" eingerichtet. Hans Bredow wurde Leiter der „Reichsfunkbetriebsverwaltung", die zunächst der Regierung, später dem Reichspostminister unterstellt wurde. Bredow war vorher kaufmännischer Direktor der „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie" (später „Telefunken"), und er zog durchs Reich mit Rundfunkvorführungen und Vorträgen, in denen er seinen Zuhörern vorschwärmte, „welche Bedeutung es einst für die Menschen haben würde, wenn sie in ihrem Heim an dem öffentlichen Leben teilnehmen könnten und ihnen die Schätze von Kunst und Wissenschaft in das Haus gebracht würden."
Rundfunk - das ist doch Spinnerei
Aber die Idee eines allgemeinen Rundfunks wurde überwiegend als Spinnerei einiger Techniker abgetan. Auch nachdem Bredow in den Staatsdienst gewechselt war und im Reichspostministerium die Funkabteilung leitete, hatte sein Dienstherr keinen Sinn und erst recht kein Geld für die „Liebhabereien der Funkabteilung".
Der „richtige" Rundfunk
Die erste - noch sehr zaghafte - Form „richtigen" Rundfunks kam denn auch aus anderer Richtung. Von Juni 1920 an verbreitete die Außenhandelsstselle Bilddienste GmbH des Auswärtigen Amts Wirtschafts- und Börsenberichte; dieser zunächst telegraphische Wirtschaftsdienst wurde am 1. April 1922 auf drahtlosen Betrieb umgestellt. Die Reichspost vermietete zu diesem Zweck Einheitsempfänger an Abnehmer in Wirtschaft und Industrie.
Die Radio-Apparate waren damals sogar plombiert
Zwar war aufgrund von alliierten Vorschriften der Empfang von drahtlosen Sendungen für Privatpersonen zu dieser Zeit noch verboten. Aber der „Wirtschaftsrundspruch auf Welle 4.000" umging dieses Verbot dadurch, daß die Apparate auf diesen einen Sender abgestimmt und plombiert wurden. Wer die Plombe öffnete, machte sich strafbar.
"Einnahmen" überzeugen immer und jeden :
Die Einführung dieses Wirtschaftsfunks brachte auch den öffentlichen Unterhaltungsrundfunk einen großen Schritt weiter. Denn dieser Dienst hatte nicht nur Erfolg, er brachte auch noch Geld ein - ein Argument, das die Reichspost sofort überzeugte. Schon 1920 übertrug der Sender Königs Wusterhausen auch Vorträge, später kam Musik von Schallplatten dazu, am 22. Dezember 1920 erfreuten Beamte des Reichspostministeriums das noch sehr spärliche Rundfunkpublikum mit einem Chor- und Orchesterkonzert, das auch von Amateurfunkern im Ausland empfangen wurde. Die Funkstation Sarajewo meldete am selben Tag: „Ihr heutiges Telephoniekonzert war ausgezeichnet, ebenso der Gesangsvortrag Ihres Hahnes. Beglückwünschen Ihren Erfolg und Gruß." Nach diesen ermutigenden Anfangserfolgen wagte der Sender am 8. Juni 1921 die erste Übertragung eines Musikwerks, und zwar der Oper „Madame Butterfly" aus der Staatsoper Berlin. Dieses epochale Ereignis und die Aufhebung des Empfangsverbots für Privatpersonen am 11. April 1923 hätten dem öffentlichen Rundfunk in Deutschland eigentlich den Weg ebnen können.
Und wieder streitet die Politik
Aber erhebliche Kompetenzstreitigkeiten standen dem entgegen. Ein heftiger politischer Machtkampf zwischen Post- und Innenministerium über die Zuständigkeit entbrannte, die entscheidende Frage war, wer über die Inhalte von Rundfunksendungen entscheiden sollte. Im Juni 1923 einigte man sich auf eine restriktive Regelung. Die Industrie bekam die Auflage, nur Empfangsgeräte für den Mittelwellenbereich 250 bis 700 Meter zu bauen. Der Rundfunkempfang wurde von einer Genehmigung der Reichstelegraphenverwaltung abhängig gemacht.
Und nun kostete Rundfunk Geld - es gab "Gebühren"
Die Genehmigung war gebührenpflichtig, zeitlich befristet und von zahlreichen Bedingungen abhängig: Die Rundfunkgeräte mußten von amtlich anerkannten Firmen hergestellt sein, Gerät und Ersatzteile einschließlich Röhren mußten den Stempel der Reichstelegraphenverwaltung tragen, Genehmigungsurkunde und Gerät mußten dieselbe Prüfnummer haben. „Änderungen am Gerät und seinem Zubehör, Lösung etwaiger Bleiverschlüsse, Zuschaltung irgendwelcher Teile, die geeignet sind, die Einstellung der Empfangswellen zu verändern, sind verboten". So stand es in der Genehmigungsurkunde.
Und es gab jede Menge Auflagen und Strafen
Die Antenne durfte nicht länger als 50 Meter sein. Außerdem: „Der Rundfunkempfänger soll nur benutzt werden zur Aufnahme der allgemeinen Nachrichten, die durch die von der RTV bezeichneten Funksendeanlagen ausgesandt werden. Die Aufnahme von Nachrichten anderer Funkstellen ist nicht gestattet. Mitgehörter fremder Funkverkehr darf weder niedergeschrieben noch mitgeteilt oder irgendwie verwertet werden. Der Inhaber der Urkunde hat seine Empfangsanlage bei Benutzung durch andere daraufhin zu überwachen und ihre Benutzung durch Unbefugte zu verhindern."
Noch war kein Genuß zu erkennen
Radiohören war in diesen Anfangszeiten also eher Schwerarbeit denn Unterhaltung, und vor allem war es unerschwinglich teuer: Die Genehmigung kostete 350 Milliarden Mark. Diese Summe ergab sich aus dem Grundwert 25 Mark, „vervielfacht mit der am Tag der Zahlung gültigen Verhältniszahl für die Berechnung der Telegraphengebühren im Verkehr mit dem Ausland." Mit dieser Vorschrift versuchte man einen Inflationsausgleich zu schaffen. Diese Verhältniszahl war im Oktober 1923 noch 14 Milliarden, im November hatte sie sich schon verzehnfacht, die Rundfunkgenehmigung kostete also 140 Milliarden mal 25 Mark, sprich 3,5 Billionen Reichsmark.
Hans Bredow gibt dennoch nicht auf
„In einer Zeit schwerster wirtschaftlicher Not und politischer Bedrängnis wird der Rundfunk für die Allgemeinheit freigegeben", heißt es in Hans Bredows „Dem Deutschen Rundfunk zum Geleit!" am 14. Oktober 1923. „Nicht länger soll er ausschließlich wirtschaftlichen Zwecken dienen, sondern es soll der Versuch gemacht werden, diesen Kulturfortschritt zu benutzen, um dem deutschen Volke etwas Anregung und Freude in das Leben zu bringen. Es drängt sich die Frage auf, ob eine derartige Einrichtung eine Lebensnotwendigkeit für Deutschland ist und ob es berechtigt ist, jetzt Neuerungen einzuführen, die nicht unmittelbar dem Wiederaufbau dienen." Das war nämlich -außer dem Vorwurf der technischen „Spinnerei" - ein Argument, das immer wieder gegen die Einführung des Rundfunks vorgebracht worden war.
Rundfunk sei Freude, Erholung und Bildung für die Armen
Bredow dagegen: „Das deutsche Volk ist wirtschaftlich verarmt, und es ist nicht zu bestreiten, daß auch die geistige Verarmung Fortschritte macht, denn wer kann sich heute noch Bücher und Zeitschriften kaufen, wer kann sich die Freude guter Musik und unterhaltender und bildender Vorträge gönnen? Erholung, Unterhaltung und Abwechslung lenken den Geist von den schweren Sorgen des Alltags ab, erfrischen und steigern die Arbeitsfreude; aber ein freundloses Volk wird arbeitsunlustig. Hier setzt die Aufgabe des Rundfunks ein, und wenn es auf diese Weise gelingen sollte, allen Schichten der Bevölkerung künstlerisch und geistig hochstehende Vorträge aller Art zu Gehör zu bringen, wenn gleichzeitig der Industrie ein neues Tätigkeitsfeld eröffnet und damit für Arbeiter und Angestellte Arbeitsmöglichkeit geschaffen wird, dann wirkt der Rundfunk aufbauend, und das deutsche Volk hat ein Recht auf ihn."
Erste Sendungen des neuen Rundfunks
Am 29. Oktober 1923 um 20.00 Uhr war es soweit: Aus dem Haus des Berliner Schallplatten-Konzerns Vox AG wurde zum ersten Mal öffentlicher Rundfunk gesendet. „Hier Sendestelle Berlin, Voxhaus, Welle 400. Wir beginnen mit Unterhaltungsrundfunk. Hören Sie ein Eröffnungskonzert."
Dieser Aufforderung konnten freilich nicht allzuviele Hörer folgen, offiziell gar keiner. Denn die erste Genehmigung zum Rundfunkempfang für 350 Milliarden Reichsmark wurde erst am 31. Oktober 1923 erworben. Und auch in der Folgezeit hatte kaum jemand das Geld, um seine Arbeitslust durch Rundfunk-Sendungen anregen zu lassen, wie das Hans Bredow vorschwebte. Am 1. Dezember 1923 gab es ganze 467 zahlende Teilnehmer, am 1. Januar 1924 waren es 1 580.
Neu - der Schwarzhörer
Dafür gab es um so mehr Schwarzhörer. Denn das Publikum war ganz aus dem Häuschen angesichts des neuen Mediums. Anfangs wurde das Ganze zwar noch als Spielerei und Luxus abgetan, aber schon bald machte sich ausgesprochene Rundfunkbegeisterung breit. Die wenigen Gebührenzahler, anfangs als „Radiator", „Radiot" oder „Radi" verspottet, sind der falsche Maßstab für die Akzeptanz der neuen Technik. Die vielen Schwarzhörer - „Zaungäste" genannt und der durchweg vergebliche Kampf gegen sie dokumentieren das wachsende Interesse am Rundfunk sehr eindrucksvoll.
Obwohl Schwarzhören mit empfindlichen Strafen und sogar Gefängnis bis zu sechs Monaten bedroht war, gab es eine Menge hartnäckiger „Zaungäste", meist Amateurfunker, die sich für öffentlichen Rundfunk eingesetzt hatten, als der Staat derlei noch für überflüssig hielt, und die nun die hohen Gebühren des Monopolisten Reichspost nicht akzeptieren mochten. Erst als im März 1924 eine „Funknotverordnung" erlassen wurde, die die Strafbestimmungen gegen ungenehmigte Empfangsanlagen erheblich verschärfte und gleichzeitig Straffreiheit für alle „Zaungäste" verkündete, die eine nachträgliche Genehmigung für ihre illegale Anlage beantragten, stieg die Zahl der zahlenden Rundfunkteilnehmer merklich an.
1924 - Langsam ging es wieder aufwärts
Unterdessen waren auch die allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen besser geworden. Die Reichsregierung hatte im Ruhrkampf im Herbst 1923 zwar klein beigeben müssen. Aber immerhin wurde die Besetzung des Ruhrgebiets aufgehoben, die deutsche Gebietshoheit wiederhergestellt, und die Stabilisierung der völlig maroden Währung konnte beginnen. Mitte Oktober wurde die Rentenmark geboren. Eine Rentenmark wurde einer Billion Papiermark gleichgestellt und wie eine Vorkriegsmark bewertet, ihr Verhältnis zum Dollar wurde auf 4:1 festgesetzt.
1924 - Die Rentenmark wurde "geboren"
Damit war das deutsche Zahlungsmittel wieder in ein festes Verhältnis gebracht, wenn auch nicht durch Goldreserven abgesichert. Die Rentenmark konnte lediglich in fünfprozentige Rentenbriefe eingelöst werden, die ihrerseits auf Goldmark lauteten. Das Zahlungsmittel, das diesem System zugrunde lag, wurde durch Zwangshypotheken auf den gesamten Grundbesitz und alle Industrie- und Handelsunternehmen geschaffen. Um die Rentenmark wertbeständig und einlösbar zu machen, waren also gleichsam alle Immobilien der deutschen Republik gleichsam verpfändet.
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Eine fiktive Lösung, die aber funktionierte
Im Unterschied zum Gold war das freilich eine fiktive Deckung - denn tatsächlich konnten diese Immobilienwerte nicht eingelöst und auch im Ausland nicht zur Währungsregulierung eingesetzt werden. Aber die Einführung der Rentenmark hatte den erhofften psychologischen Effekt. Das Vertrauen in das Währungssystem wuchs rapide, die Rentenmark wurde zur Grundlage für die Neuordnung des Wirtschaftslebens.
Reichsfinanzminister Luther sorgte außerdem dafür, daß nicht mehr die Notenpresse für die Finanzierung des Haushaltsdefizits zuständig war. Die Notenausgabe wurde auf 3,2 Milliarden Rentenmark begrenzt, 1,2 Milliarden davon bekam die Reichsregierung als Überbrückungskredit für laufende Ausgaben, bis wieder Steuereinnahmen die Staatskasse füllten. Die Staatsausgaben wurden radikal eingeschränkt, die Einnahmequellen ebenso radikal ausgeschöpft, auch die Kredite für die Wirtschaft wurden beschränkt.
Hilfe aus England - natürlich im Eigeninteresse
Allerdings blieb die Wertbeständigkeit der Rentenmark in den ersten Monaten noch in der Schwebe. Erst im April 1924, als die Bank von England dem Deutschen Reich eine Devisenreserve garantierte, war die Rentenmark sicher. Dieses „Wunder der Rentenmark" war weniger ein Wirtschafts- als ein Finanzwunder, denn die Inflation wurde durch ein Zahlungsmittel gebannt, das ursprünglich nicht auf Gold oder Devisen beruhte. Daß es dazu kommen konnte, lag vor allem an einer Neubeurteilung des Reparationsproblems.
Der Dawes Plan
Der amerikanische Finanzexperte Charles Dawes, US-Vizepräsident von 1925 bis 1929, wurde 1923 von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges beauftragt, einen Plan zur Lösung des (deutschen) Reparationsproblems zu entwickeln. Dawes ging davon aus, daß die teilweise überhöhten Reparationsvorstellungen der "Sieger" - vor allem Frankreichs - fatale Folgen haben müßten. (Anmerkung : Und er hatte damit absolut Recht - denn das Faß war kurz vor dem Überlaufen.) Er setzte demgegenüber auf die Gesundung der deutschen Wirtschaft und verschaffte Deutschland eine Atempause bei den Reparationen. Von 1924 bis 1929 sollten die Zahlungen von 1 auf 2,4 Milliarden Reichsmark ansteigen, danach sollten jährlich jeweils 2,4 Milliarden gezahlt werden. Ein Ende dieser Zahlungsverpflichtung war nicht vorgesehen, genausowenig wurde die Gesamthöhe der Reparationsschuld festgelegt - eine Konzession an Frankreich, das von seiner Forderung einer deutschen Gesamtschuld von 132 Milliarden Goldmark nicht abgehen wollte.
Neu Regelung der Reparationsraten
Die Mittel für die jährlichen Reparationsraten sollten aus genau definierten Quellen kommen: Aus dem Reichsetat, dafür wurden die Einnahmen aus bestimmten Verbrauchssteuern und aus den Zöllen verpfändet; aus Zinsen für neue Hypotheken der Reichsbahn; aus einer Beförderungssteuer für die Reichsbahn; aus Zinsen von Industriehypotheken. Um diese Zahlungen sicherzustellen, wurden Reichsbahn und Reichsbank unter die Aufsicht der ausländischen Gläubiger gestellt, die Finanz- und Verkehrshoheit des Reiches wurden so erheblich eingeschränkt.
Kredite kamen aus den USA - und Dawes bekam einen Preis
Auf der anderen Seite gab es Auslandsanleihen für die deutsche Wirtschaft, um den ersten Bedarf zu decken. Hauptgeldgeber wurden die USA. Der Dawes-Plan wurde am 16. August 1924 in London abgeschlossen, schon im Laufe desselben Jahres flossen über 500 Millionen Mark an langfristigen Krediten nach Europa, davon über 20% nach Deutschland in Form von Staatsanleihen. Damit war auch die Basis für die Wiedereinführung der Goldmark geschaffen, zum 1. September 1924 löste die Reichsmark - gedeckt durch Gold, Devisen und Handelswechsel - die Rentenmark ab. Charles Dawes bekam für seinen Plan 1925 den Friedens-Nobelpreis.
Die „Goldenen 20er Jahre" und der Einbruch
Nicht zuletzt weil der Dawes-Plan gut funktionierte, stieg vor allem in der ersten Hälfte der „Goldenen 20er Jahre" das Volkseinkommen deutlich an, bald erreichten Industrie- und Nahrungsmittelproduktion wieder das Vorkriegsniveau oder lagen sogar darüber. Allerdings gab es auch immer wieder Einbrüche. Schon kurze Zeit nach der Stabilisierung 1924 reichte die Kaufkraft der deutschen Verbraucher nicht mehr aus, die Verbrauchsgüter zu bezahlen. Von Mitte 1925 bis Mitte 1926 geriet die deutsche Wirtschaft in eine ernste Krise. Vor allem die Produktionsgüter-Industrie, die während der Inflation zu Lasten der Konsumgüter-Industrie gewachsen war, geriet in Schwierigkeiten. Von Mitte 1925 bis Mitte 1927 meldeten über 30.000 Firmen Konkurs an, in der Hauptsache zwar „Inflationsunternehmen", aber auch angesehene und seriöse Firmen. Die Arbeitslosigkeit stieg auf zwei Millionen. Davon war nicht nur der Produktionsbereich betroffen, sondern auch Handel, Banken, Wertpapierbörsen, die während der Inflation ihre Personalapparate unmäßig aufgebläht hatten.
Viel zu viel war auf Sand gebaut
Eine Folge der Stabilisierungskrise 1925/26 war eine Welle von Rationalisierungen in der Wirtschaft, besonders der Industrie, die vor allem Arbeitsplätze, aber
auch Technologien betraf. In der Kriegsindustrie hatten Kostenfragen eine geringe Rolle gespielt, jetzt aber legte man Wert auf arbeitssparende Maschinen, Fließbänder, Serienproduktion, systematische Betriebsführung - der Taylorismus hielt auch in der deutschen Industrie Einzug.
Reorganisation und das Entstehen von Kartellen
Diese Reorganisation und Modernisierung hatte auch die Ausschaltung oder Begrenzung des Wettbewerbs zur Folge. Industrielle Großproduktion ließ sich nach Meinung der Unternehmer am besten in Kartellen und Syndikaten betreiben, wobei die Kartellbildung allerdings in der Praxis kaum mehr dem Abbau der "Kosten als der Maximierung der Gewinne diente. Mitte der 20er Jahre gab es in Deutschland rund 2.500 Kartelle, die Kostensenkungen aufgrund von Rationalisierungen führten aber durchaus nicht immer zu entsprechenden Preissenkungen.
Das Kartellgesetz vom November 1923 versuchte den Machtmißbrauch von Kartellen zu begrenzen, allerdings ohne durchgreifenden Erfolg.
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Das nächste Kapitel enthält die Erfolgsstory des Rundfunks.
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