Farbbilder von der Langspielplatte
Das VLP-System
Mit einprägsamen Schlagzeilen kommentierte die Presse das am 5. September 1972 im Rahmen einer internationalen Veranstaltung vorgestellte neue Philips VLP-System. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren zur Wiedergabe von Farbprogrammen, die auf einer Platte gespeichert sind.
Einem Team von Forschern gelang damit erstmalig die Realisierung von Speicherzeiten, die mit 40 Minuten erheblich über den bisher bekannten Zeiten (ein Sseitenhieb auf die Telefunken TED Bildplatte) liegen. Die Video-Langspielplatte (VLP = video long play) wird auf einem ebenfalls neuentwickelten Plattenspieler abgespielt, der mit optischer Abtastung arbeitet und zur Wiedergabe an das Fernsehgerät angeschlossen wird (Bild 1).
Das sehr anpassungsfähige VLP-System gestattet neben der normalen Bildwiedergabe verschiedene Betriebsarten, wie Stehbild, Zeitlupe, Zeitraffer und sichtbaren Bildrücklauf. Daraus ergeben sich neue Perspektiven für die Informationsverarbeitung in Bild und Ton. Zweifellos wird das Philips VLP-System im Unterrichtswesen, für Dokumentations- und natürlich auch für Unterhaltungszwecke vielfältige Anwendungen finden, was weitreichende Konsequenzen in diesen Bereichen haben dürfte.
Die VLP-Platte
Die Video-Langspielplatte hat die gleichen Abmessungen wie eine normale LP-Schallplatte und besteht auch aus einem ähnlichen Material, dessen Oberfläche mit einer hauchdünnen Metallauflage überzogen ist (Bild 2).
Ihre Abspielgeschwindigkeit beträgt 25 Umdrehungen pro Sekunde, entsprechend 1500 Umdrehungen in der Minute. Die für den Bildaufbau benötigte Information ist in einer spiralförmigen Spur festgelegt. In der Spur ist (ca.) je Umdrehung ein vollständiges Fernsehbild gespeichert. Auf diese Weise lassen sich auf der VLP-Platte bis zu 60.000 Farbbilder festhalten.
Die Festlegung der Information in der Spur erfolgt auf völlig andere Weise als bei der gewöhnlichen Schallplatte. Anders als bei dieser besteht die Spur der VLP-Platte aus einer Folge von mikroskopisch kleinen, länglichen Vertiefungen gleicher Tiefe und Breite (Bild 3).
Die für die Bildwiedergabe benötigten Informationen - Helligkeit, Farbe, Ton, Synchronisation - sind in der unterschiedlichen Länge der Vertiefungen und deren Abstand zueinander enthalten. Die Tiefe der mikroskopisch kleinen „Pits" beträgt 0,15um; der Spurabstand liegt bei 2um, es wurden aber auch schon 1,65 um erreicht.
.
Der VLP-Plattenspieler
Wie Bild 4 zeigt, wird anstelle der herkömmlichen Abtastnadel im neuen VLP-Plattenspieler ein sehr feiner Lichtpunkt verwendet, der aus einem Laser stammt. Eine optoelektronische Regelung führt diesen Lichtpunkt über die spiralförmige Spur der Platte. Damit erübrigt sich die mechanische Führung des Abtastsystems durch eine Rille; dies ist im Hinblick auf die Erzielung eines äußerst kleinen Spurabstandes und der sich daraus ergebenden hohen Informationsdichte wichtig.
Dank der berührungslosen Abtastung sind die Platte und das Abtastsystem keinem Verschleiß ausgesetzt; das ist besonders bei der Wiedergabe von Stehbildern von Bedeutung. Der genaue Abstand zwischen Platte und Abtastsystem wird von einem auf kapazitiver Basis arbeitenden Regelsystem eingehalten.
Durch das neue opto-elektronische Regelsystem ergeben sich die bereits kurz erwähnten speziellen Anwendungsmöglichkeiten: Das Bild kann beispielsweise zu jedem gewünschten Zeitpunkt und an jeder beliebigen Stelle der Platte als Stehbild wiedergegeben werden. Ferner kann jede Szene beschleunigt (Zeitraffereffekt) oder nach Belieben verzögert (Zeitlupe bis zur Einzelbildwiedergabe) abgespielt werden.
Auch sichtbarer Bildrücklauf ist möglich. Außerdem gestattet das System einen sofortigen wahlfreien Zugriff (random access) zu jedem beliebigen Programmteil auf der Plattenoberfläche. Selbstverständlich kann der Begleitton bei diesen speziellen Betriebsarten abgeschaltet werden.
.
Signalerzeugung und Signalverarbeitung
Beim Abtasten der Spur durch den Lichtpunkt wird das von der Platte reflektierte Licht dem Muster der Vertiefungen entsprechend moduliert. Das modulierte Lichtbündel wird anschließend in einer Photodiode in ein elektrisches Signal umgewandelt. Dieses Videosignal kann nach Verstärkung und elektronischer Verarbeitung unmittelbar dem Eingang eines Fernsehgeräts zugeführt werden.
Um ein genügend rauscharmes Signal zu erhalten, ist eine sehr intensive Lichtquelle erforderlich. Sie besteht beim VLP-Plattenspieler aus einem kleinen Helium-Neon-Laser (Bild 5). Philips hat für diesen Laser ein spezielles Produktionsverfahren entwickelt, das eine wirtschaftliche Massenfertigung erlaubt.
Einfache Plattenfertigung
Der Fertigungsprozeß verläuft im Prinzip wie bei Schallplatten, d. h. die VLP-Platte wird zwischen Matrizen aus einer ähnlichen Masse gepreßt, wie sie für normale Schallplatten verwendet wird. Das Preßverfahren wird z. Z. systemgerecht weiter vervollkommnet. Nach dem Pressen erhalten die Platten eine dünne, reflektierende Metallauflage.
Das „Schneiden" der für den Preßvorgang benötigten Matrize erfordert lediglich einen Zeitaufwand, der als sogenannte Echtzeit der Dauer des aufzunehmenden Programms entspricht. Folglich kann das Schneiden direkt unter Verwendung von gewöhnlichen Fernsehkameras, Bildbandgeräten oder Filmabtastern erfolgen. Dies trägt entscheidend zu den geringen Herstellungskosten der Platte bei.
Durch das Preßverfahren bedingt, weist die VLP-Platte in der Struktur der länglichen Spurvertiefungen eine Präzision im Sub-Mikrometerbereich auf. Dagegen können an makroskopische Größen, wie Zentrierung und Ebenheit, dank des schon genannten opto-elektronischen Regelsystems wesentlich geringere Anforderungen gestellt werden.
.
Anwendungsmöglichkeiten
Es ist zu erwarten, daß die VLP-Platte eine erhebliche Verbilligung von audiovisuellen Programmen mit sich bringen wird. Dies dürfte sich in dem breiten Fächer möglicher Anwendungen, wie Unterricht, Information, Dokumentation und selbstverständlich auch Unterhaltung als sehr vorteilhaft erweisen.
Dieser Aspekt wird durch die außerordentliche Flexibilität des VLP-Systems (Stehbild, Zeitlupe, Zeitraffer, sichtbarer Bildrücklauf sowie einfacher und sofortiger wahlfreier Zugriff) noch unterstrichen. Eine Markteinführung des Philips VLP-Systems in einigen Jahren wird angestrebt. Ein Formgestaltungsmodell des VLP-Plattenspielers ist in Abbildung 6 gezeigt.
.
Bild-Texte geparkt
Bild 1 Der VLP-Plattenspieler mit optischer Abtastung (im Bild ein Prototyp) wird über ein Kabel mit den Antennenbuchsen des Farbfernsehempfängers verbunden.
Bild 2 Die VLP-Platte ist mit einer reflektierenden Metallauflage überzogen, die von einem durchsichtigen Plastiküberzug geschützt ist. Sie entspricht in Gewicht und Abmessungen einer Langspielschallplatte.
Bild 3 Hier ist die Raster-Elektronenmikroskop-Aufnahme der Oberfläche einer VLP-Platte zu sehen. Da der abtastende Lichtpunkt nur wenig breiter als die Vertiefungen (Pits) ist, muß er äußerst exakt geführt werden. Dies geschieht mit einem opto-elektronischen Regelsystem.
Bild 4 Schematischer Aufbau des VLP-Plattenspielers. Die VLP-Platte (1) wird von unten abgetastet, die oben im Bild angedeuteten Spuren (1 a) befinden sich also nicht wie bei einer Schallplatte auf der Oberseite. Das Licht des nur 1 mW Leistung abgebenden Lasers (6) wird fokussiert und über ein teildurchlässiges Umlenkprisma (4), einen Umlenkspiegel und einen Klappspiegel (3) zur Spurverfolgung auf ein federnd aufgehängtes Mikroskopobjektiv geleitet und gelangt von dort automatisch fokussiert auf die abzutastende Spur. Das reflektierte oder teilreflektierte Licht läuft den gleichen Weg zurück, wird am teildurchlässigen Spiegel (4) aber nicht umgelenkt, sondern gelangt auf die Photodiode (5) und wird dort in ein elektrisches Signal umgewandelt.
Bild 5 Der Laser des VLP-Plattenspielers ist ca. 20 cm lang und gibt ein Licht mit einer Wellenlänge von etwa 600 nm ab. Wegen der Tiefe der „Pits" (0,15 ^m oder 150 nm) ergibt sich eine Beugung der Lichtstrahlen an den Kanten, so daß ein Teil des Lichts in andere Richtungen abgelenkt wird und die Photodiode nicht erreicht.
Bild 6 Ausführungsbeispiel für einen VLP-Plattenspieler mit Tastenbedienung.